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Blake Crouch Gestohlene Erinnerung Blake Crouch
Gestohlene Erinnerung.
Goldmann Verlag 2020, 422 Sei­ten
ISBN 978-3-442-20601-8

2018: Der New Yorker De­tek­tiv Bar­ry Sutton wird zu einem Ein­satz ge­ru­fen, in dem er ei­ne Frau ret­ten will, die beab­sich­tigt sich von ei­nem Hoch­haus zu stür­zen. Sie wird von Er­in­ne­run­gen ge­quält, die sie gar nicht erlebt hat. Er­in­ne­run­gen an ei­ne Fa­mi­lie, an ein anderes Le­ben, das mit ih­rem ei­ge­nen nichts zu tun hat. Ein Phä­no­men, das sich wie eine Epi­de­mie aus­brei­tet. Men­schen wer­den von Er­in­ne­run­gen über­fal­len, die ihre Iden­ti­tät in Fra­ge stel­len, die sie nicht mehr wis­sen las­sen, was sind ech­te Er­in­ne­run­gen an real Er­leb­tes und was nicht. Bar­ry kann die Frau nicht ret­ten, sie springt in den Tod.

2007: Helena Smith ist Wis­sen­schaft­le­rin, sie forscht über das Phä­no­men der Er­in­ne­run­gen und wie sie bewahrt wer­den kön­nen. Ihre Mut­ter zeigt An­zei­chen von Demenz im Früh­sta­dium, ihr und an­de­ren möch­te sie helfen. Ei­nes Ta­ges er­hält sie die Chance mit un­be­grenz­ten Geldmitteln und un­ter op­ti­ma­len Be­din­gun­gen an ih­rem Pro­jekt zu ar­bei­ten. Sie nimmt an.

Einmal im Jahr treffen sich Bar­ry und seine Ex­frau, um den Ge­burts­tag ihrer Tochter zu fei­ern, die vor Jah­ren von ei­nem Au­to über­fah­ren wor­den war und starb. Barry hat sich da­von nie erholt, und als ihm ein Frem­der an­bie­tet, die­sen einen Abend, an dem der Un­fall ge­sche­hen ist, noch ein­mal zu er­le­ben und sei­ne Toch­ter zu ret­ten, lässt er sich da­rauf ein. Und tat­säch­lich fin­det er sich am Abend der Er­eig­nis­se wie­der und kann sei­ne Tochter vor dem töd­li­chen Unfall be­wah­ren. Aber das Le­ben geht in die­ser Zeit­spur weiter, er lebt ein zwei­tes Le­ben, weiß vie­les, was ge­sche­hen wird, schon vor­her und doch verändert es sich mit der Zeit.

Helena entwickelt auf­grund der Res­sour­cen, die ihr ohne Ein­schrän­kun­gen zur Ver­fü­gung ste­hen, ei­ne Methode, die es er­mög­licht, be­stimm­te Mo­men­te in der Er­in­ne­rung neu­ro­lo­gisch zu kar­tie­ren und noch ein­mal zu erleben, um sie, mit dem Wis­sen der Zu­kunft, an­ders – bes­ser – zu ge­stal­ten. Doch was als Se­gen für die Mensch­heit ge­plant war, ge­rät un­ter den Ab­sich­ten des Geld­ge­bers in den Hin­ter­grund. Und als die Plä­ne des Pro­jekts ge­leakt wer­den, steht die Welt bald am Rand der Apo­ka­lyp­se.

Helena und Barry, die in­zwi­schen ein Paar ge­wor­den sind, "rei­sen" in die Ver­gan­gen­heit, um den Er­eig­nis­sen ei­ne Wen­dung zu geben, die die Mensch­heit retten soll.

Abgesehen von den üb­li­chen Pa­ra­do­xa, die mit Zeit­rei­sen ver­bun­den sind, hat mich der Plot fas­zi­niert, und ich war ge­spannt, wie sich die Din­ge ent­wi­ckeln wer­den. Der Text ist zü­gig zu le­sen, aber etwa ge­gen Mitte des Buches wird es dann (wur­de es je­den­falls für mich) im­mer schwe­rer nach­voll­zieh­bar, warum Ein­grif­fe, die in der Ver­gan­gen­heit statt­ge­fun­den ha­ben, so ge­rin­ge Aus­wir­kun­gen in der Zu­kunft ha­ben. Der Zyk­lus der Rei­sen in die Ver­gan­gen­heit über­schlägt sich, oh­ne je­doch den ge­wünsch­ten Erfolg zu er­zie­len, der doch im Grun­de so einfach hät­te er­reicht wer­den kön­nen. Ob­wohl es sich faktisch um ein Mehr­fach­wel­ten­mo­dell han­delt, werden die da­mit ver­bun­de­nen Im­pli­ka­tio­nen nicht an­nä­hernd er­wo­gen.

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27. Februar 2024

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