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Richard Dawkins ist Evolutionsbiologe, er hat in Berkeley und Oxford gelehrt. Und er ist Atheist. In "Der Gotteswahn" bemüht er sich auf über 500 Seiten, den Nachweis zu führen, dass Gott ein evolutionäres Konstrukt ist, dass er nach naturwissenschaftlichem Verständnis nicht existiert und Religionen inzwischen überflüssig geworden sind. Sein Credo ist die natürliche Selektion, die zu den komplexen Organismen geführt hat, die wir heute kennen. Einschließlich uns selbst. Der Text richtet sich an Gläubige, deren Zweifel, so sie welche haben, er verstärken will, und an Nichtgläubige, denen er Mut machen möchte, zu ihren Überzeugungen auch öffentlich zu stehen. Fundamentalisten jedweder Couleur, deren Ignoranz und Intoleranz er ausführlich darlegt, wird er damit wohl nicht erreichen. Sein Furor nimmt gelegentlich nahezu biblische Ausmaße an, so etwa zu Beginn des Kapitels "Die Gotteshypothese": "Der Gott des Alten Testaments ist – das kann man mit Fug und Recht behaupten – die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur: Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann." (S. 45) Genüsslich zitiert er Bibelstellen, die diese heftigen Anwürfe begründen sollen. Aber er geht noch weiter und macht die vermeintlich liberalen und toleranten Interpreten religiöser Überzeugungen für Exzesse von Fanatikern verantwortlich, denen sie die argumentative Basis gegeben haben sollen. "Die Lehren der 'gemäßigten' Religion sind zwar selbst nicht extremistisch, sie öffnen aber den Extremisten Tür und Tor." (S. 427) Dawkins arbeitet die Argumente ab, die für die Existenz Gottes und die Sinnhaftigkeit von Religionen vorgetragen werden. Ebenso die Einwände, die gegen seine Standpunkte erhoben worden sind. Dem kann man – besonders als jemand, der nicht an Gott glaubt und kein Bedürfnis nach Religion verspürt – weitgehend folgen, dennoch fällt die einseitige Fixierung Dawkins auf naturwissenschaftliche Welterklärungen auf, in der kein Platz ist für die den Menschen innewohnende wesensbestimmende Irrationalität. Und: Wenn man davon ausgeht, dass 99% aller Arten, die jemals auf der Erde gelebt haben, ausgestorben sind, dann scheint weder Gott noch die Evolution ein besonders erfolgreiches Konzept zu sein. ---------------------------- 20. März 2021 → Religion |
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