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Frankfurter Wachensturm

Frankfurter Wachensturm

Am 3. April 1833, um 21 Uhr 30, be­gann der An­griff ge­gen die bei­den Frank­fur­ter Po­li­zei­wa­chen [1]. Einige Dut­zend Auf­stän­di­sche, meist Bur­schen­schaft­ler aus Hei­del­berg und Würzburg [2], ver­such­ten die Wachen zu stürmen, wobei es zu ei­nem Schuss­wechsel kam, bei dem zwei der An­grei­fer, sechs Sol­da­ten und ein un­be­tei­lig­ter Zi­vi­list zu To­de ka­men. Der Plan war ver­ra­ten, die Be­sat­zung der Wa­chen verstärkt worden [3]. Ob­wohl die Verschwörer vom Ver­rat ihres Planes er­fah­ren hat­ten, ent­schied man sich, un­ter An­führung von Gustav Bun­sen [4], Jo­hann Ernst Ar­mi­nius von Rau­schen­plat [5] und dem exi­lier­ten polnischen Of­fi­zier Jan Pawel Lelewel [6], den An­griff den­noch durch­zu­füh­ren. Die er­hoff­te Unter­stüt­zung durch Frank­furter Bür­ger blieb aller­dings aus.

Man hatte die in den Wa­chen ge­la­ger­ten Waffen und die Kas­se des Deutschen Bun­des er­beu­ten wollen, um an­schlie­ßend die Gesandten der deut­schen Fürsten, die im nahe ge­le­ge­nen Palais Thurn und Taxis tagten, ge­fangen zu nehmen [7]. Der Auf­ruhr sollte sich aus­wei­ten und zu einer na­tio­na­len und de­mo­kra­ti­schen Re­vo­lution wer­den.

Doch die Aufständischen wur­den zum Teil ver­haf­tet, ei­ni­ge konn­ten flie­hen [8], nach ih­nen und ihren Sym­pathi­san­ten wur­de deutsch­land­weit ge­fahn­det. Am 30. Juni 1833 wurde in Frankfurt die "Bun­des­zentral­be­hörde" ge­schaf­fen, die in den kom­men­den Jah­ren ge­gen mehr als 2000 Ver­däch­ti­ge er­mit­tel­te [9]. 39 Per­so­nen wur­den zum To­de ver­ur­teilt, die Stra­fen wurden aller­dings nicht voll­streckt, son­dern in lang­jäh­rige, zum Teil le­bens­lan­ge, Haft­stra­fen um­ge­wan­delt.

1837 gelang mehreren Ge­fan­ge­nen – unter Mithilfe ei­ni­ger Wär­ter – die Flucht.

"Dieser ge­schei­ter­te Ver­such, durch eine be­waff­ne­te Er­o­be­rung der Frankfurter Po­li­zei­wa­chen das Signal zu ei­ner re­vo­lu­tio­nä­ren Er­he­bung in ganz Deutsch­land zu geben, gehörte nach dem Ham­ba­cher Fest (1832) zu den spek­takulärsten po­li­ti­schen Ak­ti­o­nen des Vor­märz und erfuhr seinerzeit ein wei­tes pub­li­zis­tisches Echo." [10]

Frankfurt um 1840 (ca. 54.000 Einwohner)

Stadtplan Frankfurt um 1840

Die Freie Stadt Frankfurt war von 1815 bis 1866 einer von vier Stadtstaaten im Deut­schen Bund. Sie war Sitz des Bun­des­ta­ges und ein Finanz­zen­trum von euro­päischem Rang.

Hauptwache

Hauptwache um 1845

Das Wachengebäude wurde 1729/30 vom Stadt­bau­meis­ter Johann Jakob Sam­hai­mer er­baut. Die Hauptwache war der Sitz der Stadtwehr und ent­hielt auch ein Ge­fäng­nis. Im Erd­ge­schoss be­fan­den sich die of­fe­ne Bo­gen­hal­le, da­hin­ter drei Wach­stu­ben für die Offi­zie­re, Unteroffiziere und Ge­mei­nen. Die Stuben und Kam­mern des Man­sar­den­ge­schos­ses dien­ten als Ver­hör­lo­kal sowie als Ge­fängnis für besondere Per­sön­lich­kei­ten. Ge­wöhn­liche Ar­res­tan­ten wurden in die Ver­liese im Un­ter­ge­schoss ge­sperrt. Die in der Haupt­wache sta­tio­nier­ten Soldaten ge­hör­ten zum Linien­bataillon, der re­gu­lä­ren Ar­mee der Frei­en Stadt Frank­furt.

Konstablerwache

Konstablerwache um 1830

Auf dem heutigen Platz der Kon­stablerwache be­fand sich an der Ecke zur Fahr­gas­se seit 1544 ein Zeug­haus der Frank­fur­ter Stadt­wehr, 1822 wur­de das in­zwi­schen zur Wach­sta­tion aus­ge­bau­te Mi­li­tär­ge­bäu­de auf­ge­ge­ben und zu einem Po­li­zei­re­vier um­ge­baut.

Beteiligte

Adolf Berchelmann, Georg Bunsen (Inhaber ei­ner Pri­vat­schu­le), Gustav Bun­sen (Me­di­zi­ner), Friedrich August Crämer, Heinrich Eimer (Me­di­zi­ner und Badearzt), Theo­dor En­gel­mann (Journalist), Johann Georg Carl Hen­ckel­mann (1808 – 1833, Weiß­bin­der­ge­sel­le), Gustav Kör­ner (Advokat), Jan Pawel Le­le­wel (Offizier), Bernhard Lizius (konnte 1833 fliehen), Friedrich Hermann Moré, Georg Michael Nahm, Wil­helm Obermüller, Ludwik Oborski, Karl Pfretzschner, Johann Ernst Arminius von Rauschenplat (Ju­rist), Au­gust Ludwig von Rochau, Karl Schap­per, Eduard Schmidlin, Ernst Schüler, Friedrich Jacob Schütz, Eduard Scriba, Annett (Anna Mar­ga­retha) Stoltze [11], Friedrich Adolph Wislizenus u.a.

Quellen:

• Johannes Proelß / Günther Vogt: Friedrich Stoltze. Ein Bür­ger von Frankfurt. Frank­furt 1978
• Frankfurter Per­so­nen­lexi­kon: Annette Stoltze
• LEMO: Der Frankfurter Wa­chen­sturm 1833
• Sara-Lena Schmidt: Der Frank­furter Wachen­sturm von 1833 und der Deutsche Bund. Ham­burg 2011
• Wikipedia: Frankfurter Wa­chen­sturm.

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1. Hauptwache und Konstabler­wache.

2. In Frankfurt wurde eine Uni­ver­sität erst 1914 ge­grün­det.

3. Die Besatzung der Haupt­wache war um 10 Mann auf 41 ver­stärkt worden.

4. 1804 – 1836, Chirurg. Nahm 1831 am pol­nischen Aufstand teil, 1832 am Hambacher Fest. Wan­der­te nach seiner Flucht in die USA aus, wo er im Kampf ge­gen mexikanische Truppen fiel.

5. 1807 – 1868, Jurist. 1831 füh­rend an der "Göttinger Re­vo­lution" beteiligt, nach deren Nie­der­la­ge er nach Frank­reich floh. Teil­neh­mer am "Hambacher Fest". Konn­te nach dem "Wa­chen­sturm" in die Schweiz flie­hen, kämpfte an Mazzinis Seite in Savoyen, nahm am "Kar­lis­ten­krieg" in Spanien teil, wurde 1848 Mitglied des Vor­par­la­ments zur Frankfurter Na­tio­nal­versammlung und trat später in den Po­li­zei­dienst ein. Be­kämpf­te die ba­di­schen Auf­stän­dischen unter Friedrich Hecker.

6. 1796 – 1847, Offizier und Ar­chi­tekt. Teilnahme an den na­po­leo­ni­schen Krie­gen, dem pol­ni­schen November­aufstand 1830 gegen Russ­land und am Ham­ba­cher Fest. Konnte nach dem Frank­fur­ter Wachensturm in die Schweiz flie­hen, wo er als In­ge­nieur für Was­ser­versor­gung und Stadt­ent­wick­lung tä­tig war.

7. "Die Stadt war Sitz des Bun­des­ta­ges, des ständigen Ge­sand­ten­kong­res­ses, der seit 1815 die einzige, für den ge­sam­ten Deutschen Bund zu­stän­di­ge poli­tische Institution dar­stell­te. Die Aufständischen be­trach­te­ten den Bundestag als In­stru­ment der restaurativen Po­li­tik der deut­schen Fürsten und als Hin­der­nis für ihre po­li­ti­schen Ziele." Quelle: Wiki­pedia. Nach Proelß/Vogt soll­ten auch po­li­ti­sche Gefangene be­freit wer­den.

8. "Den Hauptakteuren gelang die Flucht ins europäische Aus­land, manch einen zog es wei­ter in die USA." Quelle: LEMO. "An­fang April trifft (Ludwig KM) Bör­ne in Straß­burg die Führer des ge­schei­ter­ten Frankfurter 'Wa­chen­sturms'." (Willi Jasper: Kei­nem Vaterland ge­bo­ren. Lud­wig Börne. Hamburg 1989, S. 296) Börne war übrigens selbst im Jahr 1820 für 14 Tage Un­ter­suchungs­häftling in der Haupt­wache ge­we­sen.

9. "Die als unmittelbare Reak­tion auf die Ereignisse ge­grün­de­te Bun­des­zentralbehörde in Frank­furt lei­te­te eine rigorose "De­ma­go­gen­verfolgung" und bis 1842 Ver­fahren gegen Hun­der­te des Auf­ruhrs Verdächtige ein. Das von ihr erstellte "Schwar­ze Buch" listete 2.140 Per­so­nen auf, die von 1830 bis 1842 wegen politischer Ver­ge­hen gerichtlich belangt wor­den wa­ren." Quelle: LEMO

10. Sara-Lena Schmidt: Der Frank­fur­ter Wachensturm von 1833 und der Deutsche Bund. Ham­burg 2011

11. 1813 – 1840. Wurde nach dem Frankfurter Wachen­sturm we­gen der Teilnahme am Be­gräb­nis eines ge­fal­le­nen Auf­stän­di­schen (Jo­hann Georg Carl Henckelmann) zu einer Geld­buße und wegen ver­such­ter Ge­fangenenbefreiung des in­haf­tier­ten Burschen­schafters Hein­rich Eimer zu einer vier­wö­chi­gen Haftstrafe verurteilt, die sie je­doch erst nach der Ent­bin­dung von ihrem unehelichen Sohn Friedrich Philipp am 12. De­zem­ber 1834 antreten muss­te.

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8. Oktober 2021

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