Kassiber | |||||
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Herbert Grammatikopoulos Vier Themenblöcke strukturieren den Text: "Ursprung und Geschichte" der Pflanze über ihr erstes Erscheinen in der Menschheitsgeschichte und ihre Kultivierung als Gewürz und Heilmittel bis zur Züchtung des Schlafmohns und dessen Verwendung in der Medizin. Die Betrachtung reicht bis ins europäische Mittelalter. "Opium in der Neuzeit" beschreibt vor allem die wirtschaftlichen Aspekte des Handels mit Opium, die Entwicklung kolonialistischer Expansion – etwa im Form des Opiumkrieges Englands gegen China – und die Verwendung verschiedener Derivate des Opiums in einigen europäischen Ländern. "Opium und Literatur im 19. Jahrhundert" erläutert die Entstehung des Opiumkults als antibürgerliche Distanzierung einer sich bildenden Bohème gegenüber einer zunehmend industrialisierten Gesellschaft. "Die literarische Avantgarde des 19. Jahrhunderts" schließlich stellt den Bezug zur literarischen Romantik – insbesondere in England – her und untersucht in Form von mehreren Kurzbiografien die Verbreitung des Opiumgebrauchs und dessen literarischen Niederschlag in den Werken der vorgestellten Autoren. Der Text basiert auf der Magisterarbeit des Autors, die von ihm stark überarbeitet und erweitert wurde. Beigefügt ist ein Vorwort des Kunsthistorikers Dietrich Heißenbüttel sowie ein umfangreiches Glossar und eine Literaturliste zum Thema. Der Gebrauch von Opium ist seit der Antike belegt, seitdem werden Opium und seine Derivate ausschließlich der pharmakologischen Eigenschaften wegen benutzt. Die aus den unreifen Kapseln des Schlafmohns gewonnene Substanz wird zu medizinischen Zwecken oder zum Erzielen seiner Rauschwirkung weiter verarbeitet. In der Antike vor allem als Theriak als Gegenmittel zu und Schutz vor Vergiftungen verwendet, später als Laudanum medizinisch und zunehmend zur Berauschung eingesetzt, ist das Opium in der Neuzeit überwiegend in Form von Morphium und Heroin bekannt und verbreitet. Die englischen Romantiker berauschten sich vor allem in Form des Laudanums (in Alkohol gelöstes Opium), das in Tropfenform konsumiert wurde. Coleridge und de Quincey kamen wegen Erkrankungen in Kontakt mit Laudanum, das zu ihrer Zeit als eine Art Allheilmittel angesehen wurde, erkannten jedoch bald seine berauschende Wirkung und kamen Zeit ihres Lebens nicht mehr davon los. Andere, wie Shelley und Keats, ließen sich durch die Droge inspirieren. Wie sehr der Einfluss des Opiums in die Werke der englischen Romantiker eingedrungen ist, gelingt auch Grammatikopoulos nicht nachzuweisen (mit der Ausnahme des Gedichts "Kubla Khan" von Samuel Taylor Coleridge). Vieles ist spekulativ, wie etwa die These, dass auch Goethe mit Laudanum experimentierte, weil es in seinen nachgelassenen Apothekerrechnungen einige Male aufgeführt wird. Überhaupt ist die Liste derer lang, die Grammatikopoulos als Laudanumkonsumenten wähnt. Neben den bereits Genannten sind es: Laurence Sterne, Walter Scott, Novalis, E.T.A. Hoffmann, Edgar Allen Poe, Wilkie Collins, Charles Dickens, Byron, George Crabbe, Rimbaud, Baudelaire. Außerdem Marlowe, Richard Wagner, Goya, Munch, Piranesi. Ärgerlich sind Aussagen wie "Novalis, Rimbaud und Coleridge z.B. schrieben ihre besten Werke unter Opiumeinfluss" (S. 117), die nicht stichhaltig belegt werden. Oder wenn der Begriff "subkutan" verwendet wird, wenn "intravenös" gemeint ist (an mehreren Stellen im Text). Dennoch stellt das Buch eine lesenswerte Einführung ins Thema dar, sowohl als "kleine" Kulturgeschichte des Opiums, als auch als Basis für eine weitere Beschäftigung mit dem Komplex Drogen und Literatur resp. Kunst. ---------------------------- 17. April 2023 |
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