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Herbert Grammatikopoulos Opium Herbert Grammatikopoulos
Opium. Eine kleine Kul­tur­ge­schich­te und die li­te­ra­rische Avantgarde der Romantik.
Schmetterling Verlag 2019, 200 Sei­ten
ISBN 3-89657-164-8

Vier Themenblöcke struk­tu­rie­ren den Text:

"Ursprung und Geschichte" der Pflan­ze über ihr erstes Er­schei­nen in der Mensch­heits­ge­schich­te und ihre Kul­ti­vie­rung als Gewürz und Heil­mit­tel bis zur Züchtung des Schlaf­mohns und dessen Ver­wen­dung in der Me­di­zin. Die Be­trach­tung reicht bis ins eu­ro­päische Mittelalter.

"Opium in der Neuzeit" be­schreibt vor allem die wirt­schaft­li­chen Aspekte des Han­dels mit Opium, die Ent­wick­lung kolonialistischer Ex­pan­sion – etwa im Form des Opi­um­krie­ges Englands ge­gen Chi­na – und die Ver­wen­dung ver­schie­de­ner Derivate des Opi­ums in einigen eu­ro­pä­ischen Ländern.

"Opium und Literatur im 19. Jahr­hundert" erläutert die Ent­ste­hung des Opiumkults als an­ti­bürgerliche Distanzierung ei­ner sich bildenden Bohème ge­gen­über einer zunehmend in­dus­t­ri­a­li­sierten Ge­sell­schaft.

"Die literarische Avantgarde des 19. Jahrhunderts" schließ­lich stellt den Bezug zur li­te­ra­ri­schen Ro­man­tik – ins­be­son­de­re in England – her und un­ter­sucht in Form von meh­re­ren Kurz­biografien die Ver­brei­tung des Opium­ge­brauchs und des­sen li­te­ra­rischen Nie­der­schlag in den Wer­ken der vor­ge­stell­ten Au­to­ren.

Der Text basiert auf der Ma­gis­ter­ar­beit des Autors, die von ihm stark überarbeitet und er­wei­tert wurde. Bei­ge­fügt ist ein Vor­wort des Kunst­his­to­ri­kers Diet­rich Heißen­büt­tel sowie ein um­fang­rei­ches Glos­sar und ei­ne Li­te­ra­tur­liste zum Thema.

Der Gebrauch von Opium ist seit der Antike belegt, seitdem wer­den Opium und seine De­ri­va­te ausschließlich der phar­ma­kologischen Ei­gen­schaf­ten we­gen benutzt. Die aus den un­rei­fen Kapseln des Schlaf­mohns gewonnene Substanz wird zu medizinischen Zwe­cken oder zum Erzielen sei­ner Rausch­wir­kung weiter ver­ar­bei­tet. In der Antike vor allem als The­ri­ak als Ge­gen­mit­tel zu und Schutz vor Ver­gif­tun­gen ver­wen­det, später als Lau­da­num me­di­zi­nisch und zunehmend zur Be­rau­schung eingesetzt, ist das Opium in der Neuzeit über­wie­gend in Form von Mor­phium und Heroin bekannt und ver­brei­tet.

Die englischen Romantiker be­rausch­ten sich vor allem in Form des Laudanums (in Al­ko­hol gelöstes Opium), das in Trop­fen­form konsumiert wur­de. Coleridge und de Quincey ka­men wegen Er­kran­kun­gen in Kon­takt mit Lau­da­num, das zu ih­rer Zeit als eine Art All­heil­mit­tel an­ge­se­hen wurde, er­kann­ten je­doch bald seine be­rau­schen­de Wirkung und ka­men Zeit ihres Lebens nicht mehr davon los. Andere, wie Shelley und Keats, ließen sich durch die Droge in­spi­rie­ren. Wie sehr der Einfluss des Opi­ums in die Werke der eng­li­schen Ro­man­ti­ker ein­ge­drun­gen ist, gelingt auch Gram­ma­ti­ko­pou­los nicht nach­zu­wei­sen (mit der Aus­nah­me des Ge­dichts "Kubla Khan" von Samuel Taylor Coleridge).

Vieles ist spekulativ, wie etwa die These, dass auch Goethe mit Laudanum ex­pe­ri­men­tier­te, weil es in seinen nach­ge­las­senen Apo­the­ker­rech­nun­gen ei­ni­ge Male aufgeführt wird. Über­haupt ist die Liste de­rer lang, die Gram­ma­ti­ko­pou­los als Lau­da­num­kon­su­men­ten wähnt. Neben den bereits Ge­nann­ten sind es: Laurence Sterne, Walter Scott, Novalis, E.T.A. Hoff­mann, Edgar Allen Poe, Wil­kie Collins, Charles Dickens, Byron, George Crabbe, Rim­baud, Baudelaire. Außer­dem Marlowe, Richard Wagner, Goya, Munch, Piranesi.

Ärgerlich sind Aussagen wie "Novalis, Rimbaud und Cole­ridge z.B. schrieben ihre bes­ten Werke unter Opium­ein­fluss" (S. 117), die nicht stich­haltig belegt werden. Oder wenn der Begriff "sub­kutan" ver­wen­det wird, wenn "in­tra­ve­nös" gemeint ist (an mehreren Stellen im Text). Dennoch stellt das Buch eine lesenswerte Ein­füh­rung ins Thema dar, sowohl als "kleine" Kul­tur­ge­schich­te des Opiums, als auch als Basis für eine weitere Be­schäf­ti­gung mit dem Komplex Drogen und Literatur resp. Kunst.

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17. April 2023

Über Literatur

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