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Der Schatten, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Ei­gent­lich, das dun­ke­le Bild ei­nes Kör­pers, so fern das­sel­be durch die Auf­hal­tung der Licht­strah­len ent­ste­het. Seinen Schatten im Wasser sehen. Nach einem Schatten greifen. Der Thurm wirft seinen Schatten gegen Abend. Du siehest die Schatten der Bäume für Leute an, Richt. 9, 36. Es will Abend werden und die Schatten werden groß, Jer. 6, 4. Abends, wenn die Schatten länger werden. Gegen den Mittag werden die Schatten kürzer. Sprichw. Ein krummer Stecken kann keinen geraden Schatten werfen. Seinen eigenen Schatten fliehen, figürlich, sich ohne Ursache fürchten. Der Mensch fleucht wie ein Schatten, Hiob 14, 2. Unser Leben ist wie ein Schatten, 1 Chron. 30, 15. Ich fahre dahin wie ein Schatten, Ps. 109, 23. Lauter Morgenländische, theils von der Vergänglichkeit, theils von der beständigen Bewegung des Schattens hergenommene Bilder. In einer andern Rücksicht ist der Schatten ein sehr gewöhnliches Bild einer entkräfteten äußern Gestalt. Er vergehet wie ein Schatten. Er siehet aus wie ein Schatten. Er ist einem Schatten ähnlicher als einem Menschen. In dieser Bedeutung des durch die Beraubung des Lichtes entstandenen dunkeln Bildes, sagt man nicht, einen Schatten machen oder geben, welche R.A. nur in der folgenden Bedeutung üblich sind, sondern einen Schatten werfen.

2. Figürlich. 1) Ein schwaches Bild, ein einem andern nur auf eine unvollkommene Art ähnliches Ding. Die Physik der Alten ist kaum ein Schatten von der neuern. Das Gesetz (das Ceremonial-Gesetz des alten Testamentes) ist der Schatten von dem, das zukünftig war, Col. 2, 17, eine unvollkommene sinnbildliche Vorstellung; daher man in dieser Rücksicht auch den ganzen Jüdischen Gottesdienst des alten Testamentes einen Schattendienst, ein Schattenwerk u.s.f. nennet.
2) Eine abgeschiedene Seele, der Geist eines verstorbenen Körpers, heißt in der dichterischen Schreibart häufig ein Schatten, Lat. Umbra. Laß deinen Schatten mir erscheinen.

Der Tod sieht keinen Vorzug an,
Und stellt den allergrößten Mann
Zum Pöbel der gemeinen Schatten,
Haged.

Das Reich der Schatten, das Schattenreich, der Aufenthalt der abgeschiedenen Seelen.
3. In weiterer Bedeutung, der Mangel des Lichtes in einem erleuchteten Orte, so fern derselbe durch die von Körpern aufgehaltenen Lichtstrahlen verursacht wird; wo der Begriff des Bildes verschwindet und nur der Begriff der Dunkelheit übrig bleibt.
1) Eigentlich. Einen Schatten machen, durch seine körperliche Masse die Lichtstrahlen aufhalten, welches in dieser Bedeutung üblicher ist, als Schatten geben. Ein Körper stehet im Schatten, auf der Seite, welche kein Licht empfängt. Bey den Mahlern ist der Schatten im Gegensatze des Lichtes, dunkele Partien und Züge, welche den natürlichen Schatten nachahmen, und zur Erhöhung der beleuchteten oder hellen dienen. Große Lichter erfordern große Schatten, weil sie die Ruhestellen für das Auge sind. S. Schattiren, Halbschatten und Schlagschatten. In einigen biblischen Stellen wird es auf eine sonst ungewöhnliche Art für Finsterniß überhaupt gebraucht. Die da saßen am Ort und Schatten des Todes, Matth. 4, 16.
2) In engerer Bedeutung, Schatten vor den Sonnenstrahlen, mit dem Nebenbegriffe der Kühle. (a) Eigentlich. Schatten geben, oder einem Schatten geben, durch seine körperliche Masse die heißen Sonnenstrahlen abhalten; in welcher Bedeutung man nicht gern Schatten machen, Schatten werfen aber gar nicht sagt. Im Schatten sitzen. Sich in den Schatten setzen. In den Schatten treten. Laß uns einen kühlen Ort suchen, und in den Schatten uns lagern, Geßn.

Ihr Büsche schließet mich in heilge Schatten ein,
Cron.

(b) Figürlich. a) Ein Schatten gebendes Gewächs; doch nur in der dichterischen Schreibart. Oft besucht die Muse bemooste Hütten, um die der Landmann stille Schatten pflanzet, Geßn. Wie wenn ich einen kühlen Schatten von fruchtbaren Bäumen hier pflanzte, ebend. b) Schutz, Schirm, Erquickung; eine besonders Morgenländische Figur, wo der Schatten in der brennenden Hitze des Tages eine größere Wohltat ist, als in den gemäßigtern Zonen. Beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel, Ps. 17, 8. Der Herr ist dein Schatten, Ps. 121, 5. Es nähert sich hier zugleich dem Begriffe des verwandten Schutzes, wohin ohne Zischlaut auch Hütte und hüthen gehören.
Anm. Bey dem Willeram Scade, bey dem Notker Scato, Scatue, bey dem Ulphilas Skadau, im Angels. Sceadu, im Engl. Shade, Shadow, im Holländ. Schaduwe, im Wallisischen Ysgod, im Bretagnischen Skeut. Es scheinet, daß in diesem Worte zwey verschiedene Hauptbegriffe liegen, die aber doch aus Einer gemeinschaftlichen Quellen fließen, der Begriff eines Bildes, und der Begriff der Dunkelheit; jener ist eine Figur des Lichtes, dieser aber des hohlen Raumes, beyde aber stammen von dem Begriffe der Bewegung und ihrer Richtung her. Zu der Bedeutung der Dunkelheit gehöret besonders das Griech. skotia, Finsterniß. Was die Bedeutung eines Bildes betrifft, so gehöret es hier zunächst zu schauen, scheinen, und allen Wörtern dieser Art, welche den Begriff des Lichtes voraus setzen; denn daß es hier am Ende nur auf die Sylbe Scha ankommt, und daß das t oder tt nur der Endlaut ist, erhellet aus dem Griech. skia, dem Irländischen Ska, dem Holländ. Skuwe, dem alten Alemannischen im Tatjan befindlichen Scuwen, dem Schwedischen Skugga, dem Niederdeutschen Schemen und Schemel, und dem Osnabrückischen Schär, welche aller Verschiedenheit der End-Consonanten ungeachtet, insgesammt den Schatten bedeuten, besonders so fern er ein dunkeles Bild ist, aber auch alle ursprünglich Licht bezeichnen. Der Schatte, für Schatten, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.
[Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch: Der Schatten]

SCHATTEN, m. umbra.

I. Verwandtschaft und form. mhd. schate, landschaftlich in mancherlei abweichenden formen: umbra, schade, schadt, schatt, schatte, schatten, schatwan, schede, sched, schet, scheth, scheyde, scheid DIEF. 626a, ahd. scato, goth. skadus, ags. sceadu, f., scæd n., alts. skado, mnd. schade, schadewe, schaduwe SCHILLER-LÜBBEN 4, 36, mittelndl. schade, schaede, schaeye, schaduwe, schaeduwe, schaedue KILIAN, holländisch schaduw, f., engl. shade, shadow, nd. schadde, scharde, scharre, scharr TEN DOORNKAAT KOOLMAN 3, 87, bair. schatt, schatten SCHMELLER 2, 482, tirol. schatt, schatten SCHÖPF 593, schôt'n HINTNER 213, lusernisch schâtom ZINGERLE 49. wurzelverwandt mit schatten ist griech. skàtoV, finsternis, altir. scáth, scáil, schatten KLUGE 296. FICK 14, 566, im altn. ist der begriff schatten vertreten durch eine bildung von der wurzel skau, sku schauen, skugge (schwed. skugga, dän. skygge), ein wort, welches auch im ahd. als skûwo und im ags. als scûwa, scûa in derselben bedeutung sich findet. in der flexion zeigt sich manches bemerkenswerte. während im ahd. nur die starke biegungsweise erscheint, tritt das wort schon im mhd. häufig in die schwache über, welche die herrschende geworden ist, doch mit bildung des genitivs auf s. die jetzt übliche, aus den obliquen casus übernommene nominativform schatten zeigt sich schon am ende der mhd. und anfang der nhd. epoche (vgl. oben aus DIEF.). in Luthers bibelübersetzung sind die formen schatte und schatten ziemlich gleichmäszig vertreten. beide formen gehen von da ab neben einander her, und ziemlich bis in unsere zeit hat sich das richtige schatte erhalten: der erschlagene Remus, der erste römische lemur, erschien als ein blutiger schatte. HERDER werke 15, 474 Suphan; der schwarze schatte, den einige reue nennen. J. PAUL Titan 3, 176; der giftige riesenschatte der schwarzen zukunft. vorsch. d. ästh. 1, 57; wenn nun die erd' ein schatte war, und unsichtbares leben durch die zweige säuselte. HÖLDERLIN Hyperion 185;

ungemein häufig wird in der form schatte (nomin. und starker acc.) bei dichtern und prosaikern der älteren sprache, ebenso mundartlich das e abgestoszen; schon im mhd. finden sich beispiele hierfür, s. LEXER mhd. handwb. 2, 671 und die angeführten formen aus DIEF. neben dem männlichen geschlecht des wortes erscheint auch das weibliche, von mhd. zeit bis in die gegenwart.

sodann auch im sing., s. DIEF. gloss. 626a, nassauisch schät, schätt KEHREIN 341, coblenzisch schät SCHMIDT 175, westerwäldisch bisweilen schähte ebenda: wenn ein bilger über feld gat und sich etwen under eynen boum an den schetten schloffen leit. KEISERSBERG christenlich bilgerschafft 138c;

noch andre beispiele s. bei LEXER handwb. nachtr. 358. auch eine verlängerung des kurzen stammvocals zeigt sich häufig, wie aus den gelegentlich bereits angeführten dialektischen formen zu ersehen ist. in oberdeutscher dialektaussprache fällt schatten ganz mit schaden zusammen, daher zu wortspielen benutzt, vgl. SCHM. 2, 482. das w des suffixes wa, welches im ahd. in den obliquen casus hervortritt, führt zur bildung eines im mhd. ziemlich häufig gebrauchten schatewe, schetewe schwaches masc. (auch schatwe starkes masc.). LEXER mhd. handwb. 2, 672. brem. wb. nachtr. 268; davon weitergebildet schatwen DIEF. nov. gloss. 384, schatwan gloss. 626a, schattewan DIEF.-WÜLCKER 834, schattewant Sachsensp. 3, 45, 9 lesart, sam ein schatawe quelle bei SCHM. 2, 482. auch später noch tauchen solche formen auf: meyne tag seynd gewichen wie ein schadwe. LUTHER schriften (Weim. ausg.) 1, 195, 24 vom jahre 1517; den Zal heyst ein finster schadwen, Zalmon finsternis wie von schadwen kompt. 8, 17, 8 vom jahre 1521; wir halten uns nit an schadwen, wie du ketzerischer keeszprediger leren thuest. CARLSTADT wider bruder Johan holzschuhersordens B 2b. diese bildung lebt noch mundartlich in erweiterter femininer form schettew...nne, schatten, kühler aufenthalt durch schatten, beschatteter platz, weg. LIESENBERG Stieger mundart 193. auch in andern theilen des nördlichen Thüringens findet sich diese form.

II. Bedeutung. der gebrauch des wortes ist sehr mannigfaltig, doch lassen sich die einzelnen bedeutungen nicht immer streng sondern, da sie vielfach in einander übergehen; im allgemeinen können folgende bedeutungssphären von einander abgegrenzt werden.

1) schatten, das durch hemmung des lichtes hervorgerufene dunkle abbild eines körpers: Jesaya sprach, das zeichen wirstu haben vom herrn, das der herr thun wird was er geredt hat. sol der schatten zehen stuffen forder gehen, oder zehen stuffen zurücke gehen? 2 kön. 20, 9; seinen schatten an der wand sehen. CAMPE; in Ruszland .. fror ihm einmal bei einer auszerordentlichen kälte sein schatten dergestalt am boden fest, dasz er ihn nicht wieder losbekommen konnte. CHAMISSO 2, 294; als sie ihm nachsahen, da er langsam mit nachspringenden

besonders

a) schatten als etwas bewegliches. die bewegungen des körpers übertragen sich auf den schatten, oft in erhöhtem masze:

standst am thurm, den feuchten blick empor,
liebäugelnd mit dem licht in ihrer kammer,
sahst ihre schatten an den wänden fliehn.
GRILLPARZER 6, 79.

als schneller:

siehe wie schwebenden schritts im wellenschwung sich die paare
drehen, den boden berührt kaum der geflügelte fusz.
seh ich flüchtige schatten, befreit von der schwere des leibes?
SCHILLER 11, 41.

den bewegungen des körpers folgend, daher sprichwörtlich:

über seinen schatten springen
kann dem leichtsten nicht gelingen.
LOGAU bei LESSING 5, 216;

'was lehr' ich dich vor allen dingen?'
möchte über meinen eignen schatten springen!
GÖTHE 4, 319.

seinem träger folgend:

mein schatten schleicht mir nach wie ein spion.
HERWEGH 1, 93;

daher auf menschen angewandt: wuth ist es, die mich zu deinem schatten macht. KLINGER 2, 125 (vgl. schatten, hieszen scherzweise die ungeladenen personen, die ein vornehmer gast als seine gute freunde mitbrachte. WIELAND Horazens briefe 1, 101). die bewegung des schattens ist lautlos: schleichen wie ein schatten;

in dem bedaucht mich wie die stet
hübschlich die kamer auff thet
und sitlich schleichend wie der schat
gen mir zu meinem bette drat.
fastn. sp. 1296.

keine spur hinterlassend:

die menschlichen geschlechter sterben; sie
sind flocken ausgesäet in den sturm;
spurlos, wie schatten über eine wand,
ziehn ihre schaaren über diese erde.
GRABBE 13, 44 Gottschall.

b) der schatten wird nach der stellung des lichtes (der sonne) gröszer und kleiner: je höher die sonne steht, desto kleiner werden die schatten. CAMPE; daher bei angabe der tageszeit: ey es wil abend werden, und die schaten werden gros. Jer. 6, 4; des mittags geben die körper den kleinsten schatten. FRISCH 2, 164; gegen die abendzeit werfen die körper immer gröszern schatten. ebenda; abends, wenn die schatten länger werden. ADELUNG;

auf das leben gewendet, das den höhepunkt überschritten:

zwar längern schon sich ihres lebens schatten,
doch löst sie gerne noch den wittwenschleier.
UHLAND ged. 460.

mit angabe der jahreszeit: im sommer wird der schatte klein. STIELER 1739. die länge des schattens hängt also nicht vom körper ab: ein kleiner mann macht oft einen groszen schatten. SIMROCK volksbücher 5, 419. von einer an sich geringfügigen, in ihren folgen wichtigen angelegenheit: die sache freilich ist klein, aber ihr schatten ist lang, als sprichwörtliche redensart bei ROCHHOLZ Germania 5, 70.

c) stellung des schattens verschieden, nach der tages- und jahreszeit: der thurm wirft seinen schatten gegen abend. ADELUNG;

geduld! nach süden wirft auf ihrer bahn
sie jetzt bald wieder senkrecht meinen schatten.
ein jahr ist um, es fängt ein andres an.
CHAMISSO 2, 32.

d) das schattenbild verschwindet schnell, daher oft in vergleichen mit dingen, die schnell vergehen, wie menschliches leben, irdische güter u. a. m.: uuaʒ tohta uns ubermuoti unde rîhtuomes ruom? siu fersuuundun also scata. NOTKER ps. 52, 5; daranâh wanchton mîne taga, also scato uuenchet. 101, 12; mennisco ist kelîh uppigheite uuanda sîne taga also scato vergânt. 143, 4; unser tag sein als der schat auf der erde. bibel (1483) 197a; sin (des greises) tag sint vergangen als ein schat. KEISERSBERG christenl. bilgerschafft 71a; der mensch .. gehet auff wie eine blume und fellet abe, fleucht wie ein schatten, und bleibt nicht. Hiob 14, 2; meine tage sind dahin wie ein schatten, und ich verdorre wie gras. ps. 102, 12; was hilfft uns nu der pracht? was bringt uns nu der reichthum sampt dem hochmut? es ist alles dahin gefaren wie ein schatte. weish. Sal. 5, 9; die zeitliche ehre ist wie ein schatten, gloria humana ut umbra transit. STIELER 1739;

der welt macht, herrligkeit, reichtum,
gewalt, ehr, kunst, gunst, gnad, zier, pracht,
und alles was hoch wird geacht
auff dieser erd, und nicht besteht,
ja wie ein schem und schatt' vergeht.
HOLLONIUS somnium 69 neudruck;

ebenso in eigentlichem bilde: denn wir sind von gestern här und wüssend nüt, unser läben ist ein schatten auf erden. Züricher bibel (1530) 260a; narren, die sich auff dieses nichtigen leben flüchtigen schatten, auff reichthumb .. verlassen. HOLLONIUS somnium 4;

e) auf die unkörperlichkeit des schattens wird bezug genommen

a) um etwas kraftloses, besonders eine kraftlose gestalt zu bezeichnen: alle meine glieder sind wie ein schatten. Hiob 17, 7; der gute Solande gieng wie ein schein auf der gasse und wie ein schatten vor aller menschen augen. pol. stockf. 188; er siehet aus wie ein schatten. ADELUNG; er ist einem schatten ähnlicher als einem menschen. ebenda;

bald ist das schöne thier,
eh noch drei tage hingeschwunden,
zum schatten abgezehrt.
SCHILLER 11, 21;

und fratzenbilder nur und sieche schatten
seh' ich auf dieser erde, und ich weisz nicht,
ist sie ein tollhaus oder krankenhaus.
H. HEINE 1, 136.

b) um das kindische einer handlung, eines gefühls zu bezeichnen, meist in festen redewendungen: gang von dem woren gůt zů dem falschen gůt, bysz uff den schatten von den öpffeln in den distlen. KEISERSBERG christenl. bilgerschafft 54a; wer auf trewme helt, der greifft nach dem schatten, und will den wind haschen. Sir. 34, 2; seinen eignen schatten förchten. MAALER 348; nach dem schatten greiffen. HENISCH 1738, 38; auf di hoheit der welt sich zu verlassen, nichts anders als den grund in den wind legen, und auf den schatten bauen. BUTSCHKY hd. kanzell. 376; seinen eigenen schatten fliehen. ADELUNG; er eifert mid'n schatt'n an da wand. HÜGEL 135;

und solch ein trugbild soll dir grundgebäu
von deiner pflicht und hoffnung, deinem glück
und unglück seyn? auf einen schatten willst
du stützen dich?
HERDER 29, 133 Suphan.

f) schatten als etwas unkörperliches, unwesenhaftes, im gegensatz zur sache selbst:

doch sage mir auf dein gewissen jetzt,
ob das, was du für wahr mir geben willst,
wahrscheinlich auch nur auf den schatten ist.
H. V. KLEIST 1, 221.

zur bezeichnung von etwas gedachten, durch täuschung hervorgerufenen, namentlich von den durch den traum erzeugten schattenbildern, im gegensatz zum wirklichen, seienden: ein frischer regenbogen von gartenfarben und ein entfärbter nebenregenbogen liefen nebeneinander fort, wie im erwachen der schatten des traumbilds noch sichtbar vor der blitzenden gegenwart entläuft. J. PAUL Tit. 3, 103; die phantasey, der muthwillige affe der sinne, gaukelt unserer leichtgläubigkeit seltsame schatten vor. SCHILLER räub. 4, 5 schauspiel; wenn der mensch im schlaf liegt, aufgelöst, .. dann verdrängt ein gefühl der zukunft alle gedanken und bilder der gegenwart, und die dinge, die kommen sollen, gleiten als schatten durch die seele, vorbereitend, warnend, tröstend. HEBBEL werke 1, 19;

aber was musz ich sehen!
kann das natürlich geschehen?
ist es schatten? ist's wirklichkeit?
wie wird mein pudel lang und breit?
GÖTHE 12, 66;

schatten als bloszes erinnerungsbild (bezüglich eines toten sich mit 7 berührend): und soviel vermag über dies weib ein andenken, der schatten der liebe. LEISEWITZ Julius von Tarent 40 neudruck; ist er der herrliche nicht, und ist er nicht mein? o ihr schatten seliger zeit! ihr meine trauten erinnerungen. HÖLDERLIN Hyperion 135;

ihr bringt mit euch die bilder froher tage
und manche liebe schatten steigen auf;
gleich einer alten halbverklungnen sage,
kommt erste lieb und freundschaft mir herauf.
GÖTHE 12, 5;

vgl. gedanken aus den tagen meiner jugend stiegen wie schatten vor meiner seele auf. HAUFF memoiren des satans c. 14; von trüben erinnerungen und gedanken:

schläfst du auch mit augen zu,
findet doch dein geist nicht ruh',
schatten drohn, die nie verbleichen,
und gedanken, die nicht weichen.
H. HEINE 2, 230 Elster.

g) schatten für die nichtigkeit einer sache, in vergleichen:

reht als ein troum und sam ein schate,
sus wâren alliu schœniu wîp,
swâ man ir (der Helena) tugentlichen lîp
begunde rehte schouwen.
KONR. V. WÜRZBURG troj. krieg 19708;

ebenso im eigentlichen bilde: und dir hoffnung desz ewigen lebens abschneiden umb einer hand voll ehre willen, das doch nur ein schatte, ein rauch und dampff ist. SCHUPPIUS 309;

verscherzt ist dem menschen des lebens frucht,
so lang er die schatten zu haschen sucht.
SCHILLER 11, 320;

verstärkt:

sie gehen in der welt
und suchen gut und geld,
der schatten einen schemen!
P. GERHARDT 87, 33.

in dieser bedeutung oft im gegensatz zum wahren:

die lügnerin, gedungen von despoten,
hat für die wahrheit schatten dir geboten.
SCHILLER 4, 28;

schatten sind des lebens güter,
schatten seiner freuden schaar,
schatten worte, wünsche, thaten,
die gedanken nur sind wahr.
GRILLPARZER 6, 135.

h) der schatten als das bild eines körpers, entspricht in den umrissen der gestalt desselben: der schatten des lahmen ist krumm. GRYPHIUS bei WANDER; ein krummer stecken kann keinen geraden schatten werfen. ADELUNG. etwas im schatten entwerfen, d. h. einen schattenrisz von einer sache machen: ich will mich blos, nach ihrem leitfaden, von der literatur meines vaterlandes unterrichten, und ein gemälde derselben in den letzten sechs jahren, im schatten, entwerfen. HERDER zur schönen literatur und kunst 1, 6. schatten zur bezeichnung des bildes, abbildes von geistigen oder noch nicht ins dasein getretenen wesen:

so nimet er denne in sîne hant
ein vil hêrlich gewant.
daʒ heiʒʒet ein hûmerale.
mîn trohtin dâhte, waʒ daʒ wâre.
dâmite chumet ime der scate, des heiligen geistes.
vil wol bedarf er des.
deutung der messgebräuche in Haupts zeitschrift 1, 276;

ob dû (die ungeborene mutter gottes) dâ lîphaft wære niht,
sô was doch ie mit hôher state,
dîn bilde und dîner sêle schate
vor sîme antlütze lebende.
KONR. V. WÜRZBURG goldne schmiede 723.

zur bezeichnung eines meist schwachen abbildes. von personen: Adelheid. hatten sie keinen kaiser? Weislingen. liebe frau! er ist nur der schatten davon, er wird alt und miszmutig. GÖTHE 8, 128; die person des günstlings und siegelbewahrers ist gewissermaszen der schatten der majestät -- beleidigungen gegen jenen sind verletzungen dieser. SCHILLER kab. u. liebe 3, 1; der N. is ka schattn von sein vadern. HÜGEL 135;

von geistlichen dingen, hier meist als vorbild. goth. ni manna nu izvis bidômjai in mata aiþþau in drangka .. þatei ist skadus þizê anavaírþane, iþ leik Xristaus. Col. 2, 17; ahd. ouge uns Christum der dîn dextra ist, unde sîne electos, die des sîn uuîse, uuieo unheuig kuot in ueteri testamento geheiʒʒen sî, dar umbra futurorum (scato dero chunftigon) ist. NOTKER ps. 89, 12; nhd. die übel disz lebens seint nit me dan schatten der zůkunfftigen übel. KEISERSBERG narensch. 94a; so lasset nu niemand euch gewissen machen uber speise oder uber tranck .. welches ist der schatten von dem das zukünfftig war, aber der cörper selbs ist in Christo. Col. 2, 17; dieweil da priester sind, die nach dem gesetze die gaben opffern, welche dienen dem fürbilde, und dem schatten der himmlischen güter. Hebr. 8, 5; wie hernach .. seine apostel im newen testament, solch bildwerck und figuren (wie die bildwerke in der stiftshütte) erkleret und gedeutet haben, nemlich das es schatten und abrisz sein künfftiger ding, die im newen testament und ewigen reich ergehen sollen. MATHESIUS Sarepta 43a. in sonstiger verwendung: Rom ist ietzt nur ein schatten gegen zuvor. STIELER 1739; dann wird es (in einem schönen landstrich) dem paradiese so ähnlich werden, als das paradies .. dem himmel ähnlich ist, ein nachahmender schatten. GESZNER 1, 62; ein solcher fall musz in unsrer lage gar nicht möglich scheinen -- denn scheint er einmal möglich, so artet er schon in den schatten der wirklichkeit aus; und diesen schatten verdickt man leicht. KLINGER 9, 209;

und erreicht wohl der dichter den schmelz der farbigen blumen?
neben deiner gestalt bleibt nur ein schatten sein wort!
GÖTHE 1, 307;

das wesen jedes leids hat zwanzig schatten,
die aussehn wie das leid, doch es nicht sind.
Shakespeare Richard II. 2, 3.

von einem falschen abbild:

o kinder, wann ich euch soll rathen,
so haszt der liebe falschen schaten,
liebt nicht mit worten nur allein,
laszt ewre liebe scheinbar seyn,
durch wahren mund und rechte thaten.
OPITZ (1640) 3, 124.

in derselben weise sagt man von groszen ereignissen, die sich durch unwichtigere vorgänge ähnlicher art im voraus kundgegeben: sie werfen ihre schatten voraus.

i) schatten, in enger berührung mit dem vorhergehenden, bezeichnet das, was als das schwächste abbild von etwas, als das kleinste einer sache sich darstellt, und ist dann gleichbedeutend mit 'schein, spur' und ähnlichen ausdrücken. in bezug auf concrete dinge: er hat nicht einmahl den schatten davon gesehen. FRISCH 2, 164; tief im Böhmer walde, von dem jetzt nur ein schatten übrig ist. MUSÄUS volksm. 4, 71 Hempel. im bilde:

der meister jeder kunst fühlt tief .. und weisz
dasz, wenn beym schatten selbst des jochs er sich nicht bäumte,
pedanterey und neid ihn bald zum lastthier zäumte.
GOTTER 1, 197.

mit dem genitiv abstracter begriffe oder entsprechenden wendungen mit von: wenn ein herr spurt dasz jhm der diener nur ein schatten einer untrew macht. LEHMANN florilegium 141; eine andere art von spielen .. welche wenigstens einen schatten von vernunft hatten. LESSING 4, 313; ihre (der malerei) gröszten thürme, ihre schroffesten rauhen abstürze, ihre noch so überhangende felsen, werden auch nicht einen schatten von dem schrecken und schwindel erregen, den sie in der natur erregen. 11, 158; um einem verdacht vorzukommen, wovon der schatten genug war, ihrem geliebten das leben zu kosten. WIELAND 1, 57; dasz unter diesen menschen noch ein schatten von sittlichkeit zu finden ist. 1, 206; und doch hielt mich ein schatten von hoffnung, dasz sie vielleicht blosz durch zufällige ursachen verhindert worden sey. 2, 70; aber man brauchte ihm nur den schatten einer gefahr dabey zu zeigen, so legte sich die auffahrende lohe wieder. 2, 350; dasz sie nichts vergessen haben werden, seiner kaltsinnigkeit auch nicht den schatten einer anständigen entschuldigung übrig zu lassen. 3, 94; zu einer kleinen gesellschaft von unverdorbenen, arbeitsamen und mäszigen menschen verbannt, ohne einen schatten von vermuthung, dasz er mehr sey als der geringste unter ihnen. 7, 124; ich würde mich selbst verachten, wenn nur der schatten eines argwohns gegen ihre ehre in meine seele kommen könnte. 11, 224; noch blieb mir immer wenigstens ein schatten von hoffnung übrig, nun ist auch der verschwunden. WAGNER kindermörd. 78 neudr.; der offizier ... wuszte ihr unter dem staatsklugen vorgeben, dasz sie geister sähe und für ihr kloster auch nicht der schatten einer gefahr vorhanden sei, die wache zu verweigern. H. V. KLEIST 4, 200;

an unsrer königlichen ehre soll
auch nicht der schatten eines zweifels haften.
SCHILLER M. Stuart 5, 13;

obwohl ich dich nicht gast
kann nennen, so will ich doch selbst den schatten
des gastrechts ehren.
GRABBE 13, 20 Gottschall.

auch absolut, für ein kaum merkliches, wahrnehmbares:

dein ist es, phantasie!
es trennen ja nur dünner wolken schranken,
ein schatten nur, dich und philosophie!
VON CREUZ oden u. gedichte 2, 212.

k) das schattenbild als farblos und dunkel gezeichnet: ein schatten von der sonne auf eine weisze fläche geworfen, gibt uns keine empfindung von farbe, so lange die sonne in ihrer völligen kraft wirkt. er scheint schwarz, oder wenn ein gegenlicht hinzu dringen kann, schwächer, halberhellt, grau. GÖTHE 52, 43. ein schwarzer schatten wird auch als dick bezeichnet:

läg' nur nicht auf deinen schultern
hie und da, wie dicker schatten,
etwas erdenstaub, ich würde
mit der Venus dich vergleichen.
H. HEINE 2, 19 Elster.

doch giebt es auch farbige schatten: zu den farbigen schatten gehören zwey bedingungen: erstlich, dasz das wirksame licht auf irgend eine art die weisze fläche färbe, zweytens, dasz ein gegenlicht den geworfenen schatten auf einen gewissen grad erleuchte. GÖTHE 52, 43.

l) insofern die durch den schatten bewirkte verdunkelung betont wird, tritt der begriff des bildes oft zurück:

auf dem hohen thurm die glocke
war schon lange wieder stumm,
der altar warf düstere schatten,
gräber lagen rings herum.
HEBBEL 7, 70.

ebenso von empfindungen, die den heitern ausdruck des antlitzes verdunkeln: wenn sie jeden schatten eines wölkchens auf der stirne, jeden schatten einer wehmut, eines stolzes auf der lippe, jeden funken mir im auge sah. HÖLDERLIN Hyperion 86; wohin, mein schwärmer, erwidert' Alabanda trocken, und ein schatten von spott schien über sein gesicht zu gleiten. 55. ähnlich von handlungen, die das charakterbild einer person verdunkeln: (sie) liesz nur blosz einige kleine nebendinge aus, die einen zu starken schatten auf ihre tochter geworfen haben möchten. BODE Thomas Jones b. 17, c. 6. von widrigen geschicken und ähnlichen, die das leben verfinstern: dunkle stunde! du streckest deinen schatten über ganze jahre aus. J. PAUL uns. loge 2, 161; die 600 krankheiten, die nach Hippokrates die gebärmutter erzeugt, färbten mit ihren 600 schatten sein (des ehemanns) leben etwas grau. leben Fibels 20. ebenso in redensarten, die besonders der neueren sprache angehören: das glück wird durch schatten getrübt, u. ähnl.

m) oft verschwindet der begriff des bildes, indem schatten die verdunkelte stelle einer fläche überhaupt bezeichnet:

die gase, die nur, wie ein lichter schatten
auf einem alabasterbild,
sie hier und da umwallet.
WIELAND bei CAMPE unter alabasterbild;

da zeigte sich mit umgestürztem lichte,
an Kastor angelehnt, ein blühend Polluxbild;
der schatten in des mondes angesichte,
eh sich der schöne silberkreis erfüllt.
SCHILLER 6, 272.

n) schatten für schattenbild mit dem verbum werfen verbunden. im wortspiel: während der kurzen zeit .. hab' ich .. wirklich mit unaussprechlicher bewunderung den schönen, schönen schatten betrachten können, den sie in der sonne und gleichsam mit einer gewissen edlen verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen. CHAMISSO 2, 287. schatten umherwerfen, im bilde:

neusprossende palme des glaubens,
die du blos tiefsinnige schatten umherwarfst über die male der vorzeit.
PLATEN 127.

auch schatten strecken:

dasz es dem wassertrinker wundersam war in dem thale,
wo kein weinberg die schatten strecket.
BODMER krit. ged. 76 neudruck.

o) besonderer gebrauch. schatten bezeichnet auch das spiegelbild eines körpers: seinen schatten im wasser sehen. ADELUNG;

wie nun die sonn scheint meint er zwar
was er im wasser seh wer war,
die sonne gab desz fleisches schatten.
ALBERUS fabeln (1590) 19;

ey, ey, jetzund ich mich beschau
ausz dem schatten in dem brunnen.
AYRER 2205, 13 Keller;

komm und schau dann mit entsetzen
deine brüste, junges blut,
gleich gezognen fischernetzen
zitternd schwimmen in der flut.
o dann frage deinen schatten:
wangen, seid ihr mein, so bleich?
LENAU 2, 51.

im bilde zur bezeichnung von etwas trügerischem: denken sie ja fleiszig an den hund, der mit einem stücke fleisch durchs wasser schwamm. sie haben einen liebhaber, der ihnen gewisz ist; kehren sie sich an den schatten von einem andern nicht. LESSING 1, 381. sodann von dem den umrisz einer person darstellenden schattenrisse: hier hast du einen schatten vom herzog. der junge GÖTHE 3, 142; ich bitte euch, setzt euch, dasz ich euren schatten nehme! KLINGER 3, 174; wenn ich den schatten einer person bei mir führe, mus es nicht folgen, dasz das original mir werth ist? SCHILLER Fiesko 2, 2; hier ist noch dein schatten! nimm ihn hin, du gabst ihn mir in einer schönen stunde. TIECK 2, 297. im wortspiel gelegentlich der übersendung eines bildes der braut:

den Schlemihl genannt sie hatten,
reich in seiner schatten zier
gönnet jetzt von seinem schatten
strafend einen schatten dir.
CHAMISSO 1, 95.

in besonderer dichterischer verwendung. von KLOPSTOCK wird der körper, das abbild der seele, als schatten bezeichnet:

auch du wirst einmal mehr wie verwesung seyn,
der seele schatten, hütte, von erd' erbaut.
1, 86;

lang sah ich Meta, schon dein grab,
und seine linde wehn;
die linde wehet einst auch mir,
streut ihre blum' auch mir,
nicht mir, das ist mein schatten nur,
worauf die blüte sinkt;
so wie es nur dein schatten war,
worauf sie oft schon sank.
2, 242.

von SCHILLER die urformen des seienden: das reich der schatten. überschrift eines gedichtes bei SCHILLER 11, 54 (mit den abweichungen: das reich der formen. das ideal und das leben); vgl.

fliehet aus dem engen dumpfen leben
in der schönheit schattenreich.
55.

p) bedeutung im volksglauben und recht. der schatten heilend, wunder wirkend: also, das sie die krancken auff die gassen her aus trugen, und legeten sie auff beten und baren, auff das wenn Petrus keme, das sein schatte jrer etliche uberschattet. apostelgesch. 5, 15; er verstand sich so gut darauf, die kranken kühe durch seinen schatten gesund zu machen als der renommirte Sankt Martin von Schierbach. MUSÄUS volksm. 4, 76 Hempel;

der schate den sant Pêter bar
der der himelporte phleget,
der hât vil siechen geweget.
legende von Servatius v. 720 in Haupts zeitschrift 5, 99;

scherzhaft vom schatten eines klosters: dann es macht auch nur der schatten von eim kloster fruchtbar: gleich wie auff den äckern eins nuszbaum schatten unfruchtbaret: es musz sich in klöstern alles mehren, hund unn katzen, esel unn geisen. Garg. 259b. besondere kraft wird auch dem schatten eines riesen im märchen zugeschrieben: der grosze riese, der nicht weit von hier wohnt, vermag mit seinem körper nichts ... aber sein schatten vermag viel, ja alles. deszwegen ist er beim aufgang und untergang der sonne am mächtigsten, und so darf man sich abends nur auf den nacken seines schattens setzen, der riese geht alsdann sachte gegen das ufer zu und der schatten bringt den wanderer über das wasser hinüber. GÖTHE 15, 216. über die weitgehende bedeutung des schattens im deutschen glauben s. ROCHHOLZ deutscher glaube u. brauch 1, 59 ff. Germania 5, 69 ff. 175 ff. GRIMM mythol. 856. 3, 302. der schatten im alten recht: spelluden unde alle den, die sik to egene geven, den gift man to bute den scaden enes mannes. Sachsensp. 3, 45, 9; spilliuten unde allen den, die sich ze eigen hânt gegeben und die guot für êre nement, den gît man ze buoʒe den schaten eines mannes gegen der sunnen .. er sol den schatten an der wende an den hals slahen. Schwabensp. 258, 6 Gengler; swaz ich im tuon, daz sol er mînem schaten tuon. oberd. rechtssprichwort bei ROCHHOLZ Germania 5, 194.

2) schatten der mangel des lichtes, der dadurch entsteht, dasz ein körper das licht hemmt, und der raum, worin dieser lichtmangel statt hat: sîn scato bedahta die berga. NOTKER ps. 79, 11; berge sind mit seinem schatten bedeckt, und mit seinen reben die cedern gottes. 80, 11; weh dem lande, das unter den segeln im schatten feret. Jes. 18, 1; weil du, maul, gehöhnt, soll künftig nase recht übel dir stehn, sollst immer in ihrem schatten sitzen zur straf'. FR. MÜLLER 1, 170; oft werden wir in heiterer nacht im schatten unsers obstwalds wandeln. HÖLDERLIN Hyperion 159; da setzte er sich aber geflissentlich in den schatten der logenwand. GRILLPARZER 15, 87;

er gibt uns auch den schaten
und seinen sonnenschein.
bergreihen 37;

in den angenehmen büschen,
wo sich licht und schatten mischen.
BROCKES 7, 74;

indem die blätter nun
dem licht den durchgang nicht verstatten,
so steht der blumen heer in einem grünen schatten.
2, 49;

lockt uns kein laub in ungewisse schatten,
so baut man dach und zimmer an.
HAGEDORN 3, 100;

dichterisch schatten der stille:

o, so reisze ihn aus dem getümmel,
hülle ihn in deine (der stille) schatten ein,
o, in deinen schatten, theure, wohnt der himmel,
ruhig wird's bei ihnen unter stürmen seyn.
HÖLDERLIN ged. 1, 11.

in dieser bedeutung von schatten, bei der der begriff der geringern beleuchtung der herrschende ist, sagt man meist schatten machen: ein schatten machen, inumbrare, adumbrare, umbrare MAALER 348a; einen schatten machen, durch seine körperliche masse die lichtstrahlen aufhalten. ADELUNG. oft bezeichnet schatten ohne zusatz die weniger scharfe beleuchtung im gegensatz zu dem directen vollen lichte des tages oder der sonne: und ich .. habe sie (ein schönes mädchen) .. durch das lebendige colorit -- durch die abstufung des schattens und lichts -- durch die schlangenlinien, die sie vereinigen, unendlich poetischer gefunden, als den dichter. THÜMMEL reise 9, 175; keine farbe sehen wir aber rein, wie sie ist, sondern .. durch licht und schatten verändert; wir mögen daher einen körper in den sonnenstrahlen oder im schatten sehen, bei starker oder schwacher beleuchtung, .. immer wird die farbe anders erscheinen. GÖTHE 53, 41. schatten im gegensatz zum lichte der öffentlichkeit, der welt: läben under dem tach unn am schatten. eines menschen läben der nit zun hausz ausz kumpt, vita umbratilis et delicata. MAALER 348a. licht und schatten bezeichnen die gegensätze der freude und des leides, der vorzüge und fehler, u. ähnl.: Weislingen. gott lasz euch viel freud am knaben erleben, Berlichingen. Götz. wo viel licht ist, ist starker schatten -- doch wär mirs willkommen. wollen sehn was es gibt. GÖTHE 8, 27;

mögt ihr von euren lichten höhen,
wo nichts mehr zwischen schatten schwebt,
noch auf den wandrer niedersehen,
der unten heisz im staube strebt?
ARNDT ged. 326;

im schatten stehen, in den schatten stellen, setzen, eigentlich: ein körper stehet im schatten, auf der seite, welche kein licht empfängt. ADELUNG; etwas in den schatten stellen, an eine stelle, von welcher die lichtstrahlen abgehalten werden. CAMPE. übertragen: die farben, die mir die abendröthe, die mir der mond aufmischte, setzten alle andere bilder meiner seele in schatten. THÜMMEL reise 7, 364; die nähere bekanntschaft seiner .. zeigt mir ihn jetzt in einem lichte, das den buchhändler sowohl als den kirchner gewaltig in schatten setzt. 5, 162; schon als knabe ward ich in schatten gestellt, und er ans licht gezogen, ihm alles zwiefach gegeben. KLINGER 1, 14; so wie sich der karakter Herrmanns erhob, wurde der karakter des alten Daniels in schatten gestellt. SCHILLER 2, 371; die liebe wählt sich den kleinen ort, auf den sie scheinen will, alles übrige steht bei ihr im schatten. PESTALOZZI (1821) 7, 234; sind diese ideen in seiner (Posas) seele gar die vordringenden und herrschenden, und stehen diejenigen dagegen im schatten, die ihn auf einen gelindern ausweg führen könnten, so ist der entschlusz, den er faszt, nothwendig. SCHILLER 6, 76. doch jemandem im schatten stehen mundartlich auch in der bedeutung jemandem im lichte stehen (s. theil 6, 867): du steist mî in de scharr'. TEN DOORNKAAT KOOLMAN 3, 87. im schatten lassen: aber ein einziges wort mehr, würde ihr in dem schatten, worinn sie der dichter lassen muszte, einen sehr entscheidenden druck vielleicht gegeben haben. LESSING 6, 417.

3) schatten bezeichnet dämmerung und dunkel überhaupt, da ja das dunkel auch nur ein schatten ist: die nacht ist der schatten der erden. FRISCH 2, 164. dieser gebrauch ist besonders häufig in dichterischer sprache, die mit vorliebe in dieser bedeutung den plural gebraucht: schatten quoque omnem opacitatem, imo ipsas tenebras, et noctem poetis et orationibus notat. STIELER 1739; du missest die kreise der sterne, und irrst in dem schatten der welten in tausend jahren um keine stunde. PESTALOZZI 7, 69; ihr seyd zeugen, ihr sterne! ihr habt mich so oft in der todenstille der nacht beym klaviere belauscht, wenn alles um mich begraben lag in schatten und schlummer. SCHILLER räuber 1, 3 schauspiel;

ni mahta swigli lioht
skôni giskînan,ak sia (die sonne) skado farfêng
thim endi thiustri.
Heliand 5629;

hierher gehört auch die schweizerische euphemistische redensart an schatten thun, d. h. vom lichte der sonne weg ins gefängnis setzen. STALDER 2, 310. SEILER 251. HUNZIKER 218. vgl. auch

þät wäs yldum cûð,
þät hîe ne môste, þâ metod nolde,
se syn-scaða under sceadu bregdan (vom lichte der sonne ins dunkel, töten).
Beowulf 708.

in übertragenem gebrauch in bezug auf düstere gemütszustände:

in der unvröude schate
muoʒ mîn herze sitzen.
STRICKER Daniel von Blumental, im mhd. wb. 2, 2, 88;

denn unsre freundschaft will ich nun bestatten
auf ewig in der wehmut tiefern schatten.
LENAU 1, 72;

ähnlich:

weinend grüsz' ich deine fromme trauer
in deinem schatten, deiner einsamkeit,
in dem dunkel, das, wie geisterschauer,
meine tiefbewegte seele weiht.
TIEDGE 2, 202 Eberhard.

von dem düstern ausdruck des gesichtes, den solche gemütszustände erzeugen:

tot war sie, tot! -- in ihrer züge schatten
stand noch des grames stille siedelei.
LENAU 1, 136.

von der wirkung derselben auf die seele:

ja, mir sagt mein ahnend herz:
einst noch werden, ob auch spät,
wann die sonne niedergeht,
mir verklärt der seele schatten.
UHLAND ged. 45.

in bezug auf den tod, geistigen und leiblichen: auff das er erscheine denen, die da sitzen im finsternis und schatten des todes. Luc. 1, 79 (wie goth.: gabairhtjan þaim in riqiza jah skadau dauþus sitandam); das volck das im finsternis sasz, hat ein groszes liecht gesehen, und die da saszen, am ort und schatten des tods, den ist ein liecht auffgangen. Matth. 4, 16; was ist das, das mir so oft in der seele dämmert, als wenn ich nicht mehr wäre? ich schwanke im schatten, habe keinen theil mehr an der welt. GÖTHE 11, 59; wie klagen sie nicht alle über das unstäte loos der sterblichen, über die mühen des lebens, und über den alles erreichenden schatten des todes. J. PAUL vorsch. d. ästh. 1, 103;

alles decken
wollen nur die feigen, matten,
die des todes schatten
stündlich überhängt mit bleichen schrecken.
ARNDT ged. 323.

in bezug auf das elend des irdischen lebens:

unz daʒ der êren tac zuo sîge
und der armmuot schate sich nîge.
ze himel ist der êren tac.
nu enweiʒ ich waʒ der schate m
der armmüete baʒ gesîn
dann dirre brœden werlde schîn.
LAMPRECHT VON REGENSBURG tochter Syon 4281.

dann überhaupt für verderben und elend:

der tag ist in die nacht verliebt,
der frühling in den winter,
das leben verliebt in den tod --
und du, du liebest mich!
du liebst mich -- schon erfassen dich
die grauenhaften schatten,
all deine blüte welkt,
und deine seele verblutet.
H. HEINE 1, 282 Elster.

in bezug auf mangel an geistiger erkenntnis und bildung:

dort auf einem niedern schemel
sasz der Cagot, einsam betend,
und gesondert, wie verpestet,
von der übrigen gemeinde!
aber die geweihten kerzen
des jahrhunderts flackern lustig,
und das licht verscheucht die bösen
mittelalterlichen schatten!
H. HEINE 2, 386.

vgl. wuchsen die staats-umwälzungen seit dem nachtschatten des mittelalters mit dem verdünnen desselben in halbschatten, in viertel-, achtel-schatten? J. PAUL freiheitbüchl. 108.

4) schatten, der durch abhaltung des sonnenlichtes entsteht, mit hervorhebung der kühle; natürlich läszt sich diese bedeutung nicht immer von 3 trennen, da man beide bedeutungen oft zugleich im auge hat.

a) eigentlich: habe iedoh gegen mih den sito dero reion unte des hintkalbes, die der gerno scato in der hizzo suochent. WILLIRAM 47, 9 Seemüller; er (Behemoth) ligt gern im schatten, im rhor und im schlam verborgen. das gepüsch bedeckt jn mit seinem schatten, und die bachweiden bedecken jn. Hiob 40, 16. 17; oben auff den bergen opffern sie, .. unter den eichen, linden und buchen, denn die haben feine schatten. Hosea 4, 13; sy haben kein anstosz noch krieg mit eynand, dann mit den löwen, die dem schatten nach, etwan in jre hütten begeren. FRANCK weltb. 13a; in eym yeden hof ist ein groszer baum, darunder sy ligen am schatten. 215b; schatten sůchen under einem baum, captare umbras arborum. MAALER 348a; den weynräben schatten machen, adumbrare vineas. ebenda; schatten mit meyen machen, frondibus umbram efficere. STIELER 1739; im schatten sitzen, refrigerari in umbra. FRISCH 2, 164; das viehe aus der sonnen in den schatten füren. ebenda; sich in den schatten setzen, umbrae refrigerationem quaerere. ebenda; in der hitze in den schatten treten. ebenda; sich in den schatten eines baumes, einer laube setzen. CAMPE; lasz uns einen kyhlen ort suchen, und in dem schatten uns lagern. GESZNER 3, 8; ich setzte mich ein wenig in den schatten, versetzte Struthion, denn die sonne prallt mir ganz unleidlich auf den schädel. WIELAND 20, 6; bei einem neuen lustgebäude mit seinen umgebungen, zur aufnahme einer groszen menge bestimmt, ist das haupterfordernisz schatten. GÖTHE 31, 162; wie kann einer zur sommerszeit im schatten von Bern nach Basel reiten, wenn auch die sonne noch so heisz scheint? HEBEL 2, 137; einst, als beide die hitze eines brennenden vormittages mit den schnittern getheilt hatten und der graf, im schatten eines erlenbusches gelagert, mit behagen einen trunk frischen wassers aus der hand eines alten dieners empfing. GRILLPARZER 11, 233;

droben die kühlenden höhn, die schatten alle besuch' ich,
und die quellen.
HÖLDERLIN ged. 161;

sein leib neigt sich dem boden zu
mit dürstendem ermatten.
der sänke gern zu kühler ruh'
in seinen eignen schatten.
LENAU 1, 24.

der schatten wird oft als kühl bezeichnet: sieh', wie die grosze eiche die schlanken äste umher trägt, und kyhlen schatten ausstreut. GESZNER 3, 9;

quellen hattest du ihm, hattest dem flüchtigen
kühle schatten geschenkt.
HÖLDERLIN ged. 114;

so klar der strom, der schatten von den bäumen
so duftig kühl im heiszen mittagsstrahl.
CHAMISSO 2, 106;

auch von der kühle der nacht:

unsrer nächte heroldinn,
tritt herfür und gieb dein zeichen.
dasz die kühlen schatten streichen.
P. FLEMING 365,

von nächtlicher ruhe:

und mir kam ein gefühl, wie die geweihte stunde,
wenn sich ein göttertraum in tiefer seele regt,
der auf das leben, wie auf eine heisze wunde,
der ruhe kühlen schatten legt.
TIEDGE 2, 170 Eberhard.

in dieser bedeutung sagt man meist schatten geben, gewähren, selten machen (ADELUNG): die welde aber und alle wolriechende bewme, werden Israel, aus gottes befelh schatten geben. Baruch 5, 8; die linden geben guten schatten, tiliae defendunt ardores solis. STIELER 1739; ein dicht belaubter baum giebt schatten. CAMPE;

den schate gap in diu linde
mit ir loube daʒ was breit.
Wigalois 9967.

sprichwörtlich: vor dem baume, der schatten giebt, soll man sich beugen. STEINBACH 2, 388.

b) bildlich:

dô quam uns dîn geburt ze staten
und warf uns an der wünne schatten
ûʒ bitterlicher nœte warm.
goldene schmiede 170;

ob er iendert wær verfolgt in sünden pfuol
daʒ er die wüesch ab im vor vals abgründe
unde der kristenheit ze staten
quæm, daʒ bræht vor helle hitze in himels schaten.
Lohengrin 3632;

und sie strahlten herauf von Jerusalem, viele der wonne
voll, die sie hatten gegeben, und viele der künftigen wonne,
die, noch verborgen im bruderliebenden hertzen, itzt keimte,
trieb, arbeitet', und wuchs, zu der ruhe schatten zu werden
über der wanderer haupt in dem heiszen pfade des elends.
KLOPSTOCK Mess. 15, 1369.

5) schatten in der bedeutung von schutz, refugium, protectio, asylum, tegmen. STIELER 1739; dieser gebrauch, der aus der biblischen sprache sich herleitet, beruht auf 4.

a) die schützende person oder sache wird gedacht als schattengebender baum oder hütte oder als wesen, das seine hand ausstreckt um den menschen gegen die hitze zu schützen. in bezug auf gott und heilige personen und dinge: ih saʒ unter sînemo scate, des ih ie gerota, unte sînes obeʒes nietet mih. WILLIRAM 29, 1; der herr ist dein schatten uber deiner rechten hand. das dich des tages die sonne nicht steche, noch der mond des nachts. ps. 121, 5; und der herr wird schaffen uber alle wonunge des berges Zion, und wo sie versamlet ist, wolcken und rauch des tages, und fewerglantz der da brenne des nachts. denn es wird ein schirm sein uber alles was herrlich ist, und wird eine hütten sein zum schatten des tages für die hitze. Jes. 4, 6; mit dem schatten seiner hand hat er (gott) mich bedeckt. 49, 2;

und wie soll ich dich (Maria) nennen, dich des lebens
heilquell, schatte der müden, dich in flammen
glänzender rosenbusch?
HERDER 12, 273.

sodann ganz im sinne von schutz und schirm: wer unter dem schirm des höhesten sitzt, und unter dem schatten des allmechtigen bleibt. ps. 91, 1; ich aber weis keinen andern trost, ... denn das Christus ... mich beide zu sich nimpt unter seinen schatten und schutz. LUTHER 6, 42a. vom menschlichen schutze, namentlich von fürsten, ländern, schirmenden mächten u. ähnl., die als schattenspendende bäume vorgestellt werden: sihe, Assur war wie ein cederbaum auff dem Libanon .. alle vogel des himels nisteten auff seinen esten, und alle thier im felde hatten junge unter seinen zweigen, und unter seinen schatten woneten alle grosze völcker. Hes. 31, 6;

und Daniels seele
dacht an das schicksal vieler zurück die lange schon schliefen,
jenes zurück, der hoch mit stolzem wipfel gen himmel
stand, ein groszer schatten der müden.
KLOPSTOCK Mess. 11, 665;

wieder heben musz der baum des ruhmes
zu dem lichte seine volle krone,
aber ihr, im schatten seiner milde,
werdet sein euch freuen und der tochter.
CHAMISSO 6, 251 Hitzig.

in verblaszter bildlichkeit: werden leben unter dem schatten Nebucad Nezar des königes zu Babel, und unter dem schatten Belsazer seines sons. Baruch 1, 12; sonder wer ihm vil beszer un rüwiger, under väterlichem schatten zů wonen und contemplieren, den zůflucht zů nemen unter die frembden. SALAT 152, 15 Bächtold; ich habe, sprach er, unter dem schatten meines mir gnädigst gewogenen herrn einem jeglichen gutes gethan. pers. rosenth. 1, 7; heulet ein wäyse, wer hat woll je freude darob ... wann der schatten von seinem haupte gewichen ist, so erquicke ihn denn unter deinem schatten. ebenda; zu der zeit, da ich eine krone auf meinem haupt trug, und unter dem schatten meines vaters stunde. pers. baumg. 27; o schirm und schatten der unterthanen! dein hertz sey fröhlich, und die rechtgläubige müssen unter deiner vorsorge in friede sitzen. 34; denn von frommen regenten, da sie gott giebet, hat ein gantz land schatten. SCHUPPIUS 833; so gehe denn keiner zur ruhe des grabes, er habe denn erquickenden schatten über den nothleidenden gestreut. GESZNER bei CAMPE unter nothleidend;

ich nehme dich mit allen deinen wunden,
zermalmet wie du bist, von tausend lasten;
du sollst an meiner breiten brust gesunden,
in meinem schatten dich zu kräften rasten.
IMMERMANN 15, 159.

b) vom schutze des hauses u. s. w.: alleine diesen mennern thut nichts, denn darumb sind sie unter die schatten meines dachs eingegangen. 1 Mos. 19, 8;

o dasz einst, o dorf, in deinem schatten,
bis zur letzten woge,
mir der strom des lebens, rein wie jener
wiesenborn, entwallte!
MATTHISSON ged. 19;

'nicht nachricht von den fliehenden?' -- verzeiht!
laszt mich allein mit meiner sorgen last
und ehrt die schatten meiner häuslichkeit.
CHAMISSO 2, 105.

c) schatten der flügel: under dînero uettacho scatue scirme mih. NOTKER ps. 62, 8; an scado fitheracô thînro sal ic gitrûôn. HEYNE kl. altn. denkmäler, ps. 56, 2; beschirme mich unter dem schatten deiner flügel. ps. 17, 8; unter dem schatten deiner flügel habe ich zuflucht. 57, 2;

wir ehren euch, ihr jünger, ihr des adlers brut,
die aus dem schatten seiner flügel ihr den flug
zur sonne hoch gewendet habt.
CHAMISSO 1, 331;

zur ursprünglichen bedeutung vgl.

ob im vant er einen arn
des schœne was seltsæne,
er was im in wæne
gesant von gote ze gemache.
mit einem vetache
treip er im den luft dar,
mit dem andern er im schate bar.
Servatius 1336 (Haupts zeitschrift 5, 117), auch GRIMM myth. 3, 327. 2, 948.

6) von schatten gebenden dingen.

a) dichterisch (ADELUNG): oft besuchet sie (die muse des dichters) bemooste hytten, um die der landmann stille schatten pflanzet. GESZNER 3, 2; Melida spielte indesz in reizender unschuld mit jungen lämmern .. oder sie wölbte geruch-reiche schatten zu lauben. 4, 173;

einsam schlich er durch die lindengänge,
wenn die sterne glänzten,
und der mond den saum der grünen schatten
übergoldet hatte.
HÖLTY 55 Halm;

im bilde:

hingegangen, mein Joel, mein bruder Joel, zu wachsen,
hoch im himmel ein schatten empor an dem strome des lebens.
KLOPSTOCK Mess. 11, 1374.

b) schlesisch als bezeichnung für fächer: fächel, der, Silesiis dicitur schatten STEINBACH 1, 473; schatten .. idem ac facher der frauenzimmer, ventilabrum 2, 388. WEINHOLD 81, auch in Posen gebräuchlich BERND 249.

c) in alter sprache, schatten gebende hütten: scena, schade, nd. scede, ags. sceadu (neben ein stat des schattens l. hutten) DIEF. 517c.

7) schatten, die seele des abgeschiedenen. ist auch die vorstellung von der seele als eines schattens dem germanischen glauben nicht fremd (MEYER germ. myth. 66), so ist doch die anschauung, dasz die seele nach dem tode ein scheinleben als schatten führe, aus dem classischen alterthum in unsere literatur aufgenommen. ebenso ist auch schatten als bezeichnung für die abgeschiedene seele nur eine übertragung der classischen namen (umbra, sk×a), vergl. DIEF. gloss. 626a, wo umbra glossiert ist durch sele vom leybe gescheyden und doten mans sele. in anlehnung an diese classische vorstellung zeigen sich dann ebenso wie die toten auch der teufel, elementarwesen als schatten. da in mhd. zeit diese antike anschauung noch nicht recht geläufig ist, tritt hier noch stark die physikalische seite des schattens hervor: er sach zwüschent ime und deme liehte alse eine schettewe eins menschen gar swarz. predigtmärlein, Germ. 3, 434;

ein swartz schade den er sach
dar uʒ ein stimme zu im sprach.
pass. 196, 12 Hahn;

binnen des er kumen sach
einen schaten als ein man.
196, 24.

in neuerer sprache ganz der antiken anschauung angepaszt: sahest du aus der vorwelt die verbrüderten schatten der freundschaft. J. PAUL Titan 2, 86;

nackend werd ich auch hinziehen,
wann ich werdvon der erd
als ein schatten fliehen.
P. GERHARDT 122, 12 Gödeke;

welcher schatten wandelt dort her? wie fürchterlich leise
tritt er! hat noch die dolch' in der brust!
KLOPSTOCK 2, 132;

und drückt' ich einst dein auge zu,
so stiegen wir in einem nu
umarmt hinab ins land der schatten.
WIELAND 26, 145;

als heilige und selige, ohne menschliches empfinden und begehren: wie die seligen schatten am Lethe, lebt jetzt meine seele mit deiner in himmlischer freiheit, und das schicksal waltet über unsre liebe nicht mehr. HÖLDERLIN Hyperion 128; voll lieb' und geist und hoffnung wachsen seine musenjünglinge dem deutschen volk' heran; du siehst sie sieben jahre später, und sie wandeln wie die schatten, still und kalt. 182;

dort seh' ich langsam heilige schatten gehn!
nicht jene, die sich traurig von sterbenden
erheben, nein, die, in der dichtkunst
stund' und der freundschaft, um dichter schweben!
KLOPSTOCK 1, 14;

weil der pflug die gräber entweiht, mit der stimme des herzens
will ich, mit frommen gesang, euch sühnen, heilige schatten.
HÖLDERLIN ged. 175;

in schwebender, schwirrender, schleichender bewegung: indem sie sich der grotte nahte, war's ihr, als ob ein leichter schatten (welcher sich als nixe erweist) um den eingang schwebe. MUSÄUS volksm. 4, 39 Hempel;

doch der verstummende schatten, der einst mir seele war, schwebet
so traurig vor mir, und tröstet sich nicht!
ginge wohl lieber hinab zu Elysiens schatten, und schöpfte
aus Lethe's strome den labenden trunk.
KLOPSTOCK 2, 125;

des erzürnten vaters schatten,
schleichend über diese wände,
jagt mich aus dem haus des gatten.
MÜLLNER der 29. febr. 7. sc.;

im bilde von einem lebenden menschen:

ihm ist als hätte mit dem Thyrsusstab
der gott die stirne strafend ihm berührt,
als spräche zürnend der belebte mund:
was spukst du hier, du wankendes gespenst,
erebscher schatten, kraftlos, sinnbetäubt?
315.

8) schatten in der malerei.

a) dunkle partie eines gemäldes, im gegensatze zu licht FRISCH 2, 164; gemäldeschatte, umbra colorum STIELER 1739; der schatten macht ein gemähld schön. FRISCH 2, 164; grosze lichter erfordern grosze schatten. ADELUNG; den eingezogenen leib und dessen darstellung (in einem gemälde) bewundern wir; er scheint wirklich eine höhle, aber nicht finster, denn er ist, durch schatten und widerscheine, die sich begegnen, genugsam erleuchtet, dem mahler als ein groszes kunststück anzurechnen. GÖTHE 39, 61; diese lebhafte bewegung ist durch licht und schatten des körpers und aller glieder kräftig hervorgehoben. ebenda; ein bemooster fels (auf einem bilde), ein wasserfall hält meinen blick so lange gefesselt; ich kann ihn auswendig; seine höhen und tiefen, seine lichter und schatten, seine farben, halbfarben und widerscheine, alles stellt sich mir im geiste dar. 16, 212; seine (des malers Scheffer) braunen schatten sind nicht selten sehr affectiert und verfehlen den in Rembrandtscher weise beabsichtigten lichteffekt. H. HEINE 4, 26 Elster. übertragen auf die darstellung der geschichte: die geschichte dagegen handelt ganz anders. von ihr erwartet man gerechtigkeit; sie darf, ja sie soll den glanz des vorfechters eher dämpfen als erhöhen. deszhalb verteilt sie licht und schatten über alle; selbst den geringsten unter den mitwirkenden zieht sie hervor, damit auch ihm seine gebührende portion des ruhmes zugemessen werde. GÖTHE 39, 31. auf dichter: zu verbergen sucht sich der nachahmer gemeiniglich dadurch, dasz er den gegenständen eine andere beleuchtung giebt, die schatten des originales heraus, und die lichter zurücktreibt. LESSING 6, 408; hr. Briefsteller könnte wohl ein sehr ehrlicher mensch, aber auch ein starker poete seyn, der aus vorurteil für das clair obscür, offt die farben etwas stärcker, und die schatten etwas schwärzer aufstriche, als es die natur thut. GÖTHE 4, 1, 194 Weim. ausg. und sonst in vergleichen: sie (die königin Elisabeth) ist ... so weit über alle andere frauen erhaben, dasz das, was wir an diesen am meisten bewundern, schönheit und reiz, in ihr nur die schatten sind, ein gröszeres licht dagegen abzusetzen. LESSING 7, 261.

b) schattenstufe, schattengrad CAMPE: die wangen waren gewöhnlich bleich, nur von einem leisen schatten von roth unterlaufen. HAUFF bettlerin 11;

dort wird purpurgespinst, das den tyrischen kessel gekostet,
eingewebt, und daneben die sanft abgleitenden schatten.
VOSS Ovids verwandl. 26, 58 (6, 62).

c) auch zur bezeichnung eines entwurfes, adumbratio FRISCH 2, 164.

9) besonderer gebrauch.

a) schatten machen, in der gaunersprache, einen beabsichtigten diebstahl verstecken, kaschieren. mehrere gauner, die z. b. einen laden betreten, beschäftigen das personal, machen schatten, während andere den diebstahl auszuführen suchen. FRISCHBIER 2, 261.

b) aargauisch 's macht schate, der himmel ist bedeckt, oder die stelle ist beschattet. HUNZIKER 218; händ-r's im schate? oder dr händ's schön im schate! gruszformel an den im hause beschäftigten. ebenda.

SCHATTEN, schwaches verb., umbrare, obumbrare, mhd. schaten DIEF. gloss. 626a. nov. gloss. 269a, schatewen, schetewen LEXER handwb. 2, 672, ahd. scatewen GRAFF 6, 424, goth. skadvjan in ufar-skadvjan, alts. scedeuuan, skadowan (skadoian), ags. sceadwian, sceadewian, scadwian, mnl. schaeduwen KILIAN, holl. schaduwen (schattieren), nd. schadden, scharden, scharren TEN DOORNKAAT KOOLMAN 3, 87. als simplex schon in mhd. zeit ziemlich selten, ebenso in den nächstfolgenden jahrhunderten. SCHOTTEL 1394 führt es an in der bedeutung umbram dare. schatten, umbram dare, opacare, umbrare, simplex non admodum in usu est, sed compos. STIELER 1739; noch bei ADELUNG als nur in den zusammensetzungen be-, um-, überschatten gebräuchlich; doch hat im 18. jahrhundert sowol der gebrauch des wortes zugenommen, als auch die gebrauchssphäre sich bedeutend erweitert, meist im erhabenen stile; besonders häufig wendet KLOPSTOCK das wort an.

1) schatten werfen, in welcher bedeutung meist das dunkel des schattens betont wird.

a) eigentlich:

neben dir schattet des Sachsen wald.
KLOPSTOCK 1, 227;

wer kommt so finster vom brausenden meer
wie die schattende wolke des herbsts?
BÜRGER ged. 318 Sauer;

unpersönlich in der bedeutung von 'dunkel sein': auszer ihm schattete es nur (herrschte nächtliches dunkel), in ihm stralte es blendend. J. PAUL Titan 1, 52;

eʒ begunde schatewendar in sîn gevidere truoc,
als eʒ ein wolken wære.
Gudrun 56, 1.

in derselben bedeutung im ausgesprochenen gegensatz zu leuchten: die ganze sich hier bäumende, dort sich bückende, hier leuchtende, dort schattende landschaft. J. PAUL Hesperus 3, 206 (bildlich schatten und leuchten nach b: denn selbst ihre briefe ... geben nur ein unvollkommenes bild von ihrem wesen, dessen hauptsache gerade die ursprüngliche, unmittelbare lebendigkeit ist, wo alles ganz anders aussieht, leuchtet und schattet, erregt und fortreiszt, begütigt und versöhnt. RAHEL ein buch des andenkens für ihre freunde [Berlin 1834] 1, 12).

b) bildlich: dann die ehre ist nicht anders, als ein schatten der tugend. ein mensch von dem sonnenglanz der tugend angeleuchtet, kan anderst nit thun, als ehre von sich schatten. V. BIRKEN ostl. lorbeerhain 2a überreichungsrede;

aber entferne die schattende wolke, schmerz!
PLATEN 120b.

von den todesschatten:

kaum schatten dir, sohn, die todesschatten, so regt sich
schon das neue leben um dich!
KLOPSTOCK Mess. 12, 202;

doch pranget noch im rothen morgenstrahle
Albanus haupt und blickt hin auf sein Latium.
kein völkerfest ist mehr; da schatten todtenmahle;
die schäferlichen frühlinge sind stumm.
TIEDGE 2, 178.

von verbrechen:

deine larve ist gefallen,
der frevel schattet sich um deine stirn
und scheucht der hoheit königliches licht.
M. BEER bräute von Arragonien 4, 8.

vom düstern gesichtsausdruck:

ach! die schuld im busen schattet
tief herauf in ihren blick;
seufzer flehn, von gram ermattet,
den verlornen gott zurück.
TIEDGE 1, 78.

reflexiv: o vater, wenn du so trüben ernst im auge hegst, wenn es dir so dunkel in den höhlen sich schattet und sie bleiben trocken. GUTZKOW ritter vom geist 3, 92.

2) das abbild von etwas darstellen:

ich war einst wirklicher jüngling, und tanzte.
jetzo schatt' ich ihn nur.
KLOPSTOCK 7, 9.

3) kühlen schatten geben, oft schwer von 1 zu scheiden.

a) eigentlich, absolut: dir gegenüber schattet ein anmuthiges wäldchen auf einem hügel. STOLBERG werke 6, 288; dann erwacht zu einer neuen wundervollen blüthe im schönen herbste der fruchtbaum, breitet sich aus, und schattet freundlich. ARNIM Hollins liebeleben 6 Minor;

eichenlaub schattet auf seine glühende stirn!
KLOPSTOCK 1, 241;

grüne dämmerung des haines
schattet uns umwebend.
sanfter glanz des sonnenscheines
blinkt durch laub.
VOSS 5, 253;

lasz dieser bäume hochgewölbtes dach,
zum augenblick des rastens, freundlich schatten.
GÖTHE 9, 250;

besonders häufig das partic. gebraucht: ein lustiges thal, durch dessen mitte, ein goldflitterndes bächlein, unter allerhand kühlschattenden bäumlein, gleich als unter einem laubgezelt, daherschosse und flosse. V. BIRKEN ostl. lorbeerhain 398;

 

ich will mit wankendem fusze
gehn, auf jegliches grab
eine zypresse pflanzen, die noch nicht schattenden bäume
für die enkel erziehn.
KLOPSTOCK 1, 30;

reizend bist du mir stets, schattendes rebendach.
HÖLTY 73 Halm;

unpersönlich:

ringsum an bäumen und gebüsch
entschwellen junge triebe!
hier schattets kühl! hier athmet frisch,
und trinkt den geist der liebe!
VOSS 1, 50.

b) mit angabe des schatten empfangenden im dativ:

doch lieb' ich noch mehr einst
da dich, wo an dem ende des blumenweges uns andre
cedern schatten, und palmen, der frühling ewig uns schimmert.
KLOPSTOCK Mess. 19, 520;

drauszen in luftiger kühle der zwei breitlaubigen linden,
die, von gelblicher blüte verschönt, voll bienengesurres,
schattend der mittagsstub', hinsäuselten über das moosdach.
VOSS Luise 1, 3;

c) mit acc. verbunden, ganz wie beschatten: wenn die wirkung seines daseins über sein grab hinaus sich verlängert, und der baum, der ihn schattete, das eigenthum seiner enkel wird. Dya Na Sore 1, 40; de bôm schardt dat hûs. TEN DOORNKAAT KOOLMAN 3, 87;

drin schattet noch die palm aus Eden
den löwen bei dem lamm, dem blöden.
IMMERMANN 13, 201.

d) reflexiv in der bedeutung sich schatten verschaffen, sich im schatten aufhalten:

er schenket euch gar manchen baum,
da drunden ihr euch schattet,
wann ihr den strahlen machet raum,
weil euch die sonn ermattet.
SPEE trutzn. 141, 114 Balke;

mit weglassung des reflexivs in derselben bedeutung:

der wandersmann ermattet
auf starck- und steter reis,
beym grünen bäumlein schattet,
streicht ab den sauren schweisz.
20, 59.

e) im bilde: der baum des lebens, der über alle menschen auf erden geschattet hatte. BÖHME Aurora 62; der baum der gerechtigkeit schattet über einem dauernden freudenmahl, und giebt jedem früchte nach der lust seines herzens. HERDER zerstr. blätter 6, 109;

weit schattet, und kühl dein hain (des deutschen vaterlandes),
steht und spottet des sturmes der zeit,
spottet der büsch um sich her!
KLOPSTOCK 1, 253;

fern ist meine liebe,
meine kinder sind ferne;
der schwarze, starre, enthaarte ast
vermag nicht mehr zu schatten die lieben!
SCHUBART ged. 2, 97 (1787).

aus dieser bildlichen verwendung erwächst schatten ganz zur bedeutung von schützen: mit sînen skerten scateuuet er dir. unde under sînen fettachen gedingest (scapulis suis obumbrabit tibi. et sub pennis ejus sperabis). NOTKER ps. 90, 4;

waldandes kraft
skal thi fon them hôhôstonheban-kuninge
skadowan mid skîmon.
Heliand 279;

vor allen, die ich sie zu lieben mir auskohr,
war mir der liebenswürdigste gott! mit schattendem flügel
deckte mich ewiges heil!
KLOPSTOCK Mess. 19, 164.

4) als schatten existieren, schweben:

wandelst du dort, arme mädchenseele,
der die wuth den holden freund entrisz?
schattest du dort um die todtenhöhle,
durch das nachtgraun deiner finsternisz?
TIEDGE 2, 60;

(Deutsches Wörterbuch v. Jakob u. Wilhelm Grimm)


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