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Hertha Kratzer Die unschicklichen Töchter Frauenporträts der Wiener Moderne Hertha Kratzer
Die unschicklichen Töchter.
Frauenporträts der Wiener Mo­der­ne.
Ueberreuter Verlag 2003, 223 Sei­ten
ISBN 3-8000-3872-2

In sechs Kapiteln und ei­nem Vor­wort the­ma­ti­siert Hertha Kratzer die Rol­le von Frauen in ei­ner Zeit des Umbruchs. Die Jahr­hun­dert­wen­de und die be­gin­nen­de Mo­der­ne stell­te Vie­les in Frage, die Küns­te ent­le­dig­ten sich alter Fes­seln, die Na­tur­wis­sen­schaf­ten ent­wi­ckel­ten ein neu­es Weltbild und der ge­sell­schaft­li­che Wan­del war al­lent­hal­ben spürbar. Auch das Selbst­ver­ständ­nis man­cher Frauen erfuhr Ver­än­de­run­gen, die nicht ohne Kon­flik­te ver­lie­fen. Un­ter­schied­li­chen Mi­li­eus entstammend und ver­schie­de­nen Ambitionen fol­gend, widerstehen die hier be­schrie­be­nen sechs Frauen (Lina Loos, Ea von Allesch, Bertha Eck­stein-Diener alias Sir Galahad, Frida Strindberg, Wanda von Sacher-Masoch, Milena Jesenska) den Er­war­tun­gen ihrer El­tern, Part­ner, ih­rer Umgebung. Mit un­ter­schied­lichem Er­folg. Von der ge­hor­sa­men Tochter, der die­nen­den Ehefrau, der in­spi­rie­ren­den Muse, von der über­höh­ten Angebeteten oder dif­fa­mie­rend Er­nied­rig­ten hin zu ei­ner Per­sön­lich­keit, die den ei­ge­nen Le­bens­weg be­stimmt.

Hertha Kratzer beschreibt die Sze­ne, aus der he­raus die kul­tu­rel­le Moderne ihre Blüten treibt, die nicht selten frau­en­feind­liche Züge tragen. Män­ner do­mi­nie­ren die Kaf­fee­häu­ser, in de­nen Frauen vor al­lem als Mu­sen und/oder Lieb­schaf­ten zu die­nen ha­ben. Einigen Frau­en gelingt es, sich ein ei­ge­nes Pro­fil zu bil­den. Das ist The­ma dieses Bu­ches.

Leider fehlen Quellen­angaben zu den Zitaten, die reich­lich im Text vorhanden sind, und es geht auch im­mer wieder mal ziem­lich boulevardesk zu bei der Beschreibung der amou­rö­sen Verstrickungen; aus­ge­spro­chen ärgerlich ist ein Satz wie die­ser: "Egon Frie­dell rettet sich durch einen Sprung aus dem Fens­ter vor der Ver­haf­tung..." (S. 69) Dass er da­bei zu Tode kam, bleibt an die­ser Stelle un­er­wähnt. Bei der Vielzahl der auf­tre­ten­den Per­so­nen wäre ein Per­so­nen­re­gis­ter hilfreich ge­we­sen, zu­mal es personell im­mer wieder Über­schnei­dun­gen gibt. Trotz die­ser Ein­wän­de war es eine in­te­res­san­te Lek­tü­re, die man über die ab­schlie­ßen­de Li­te­ra­tur­lis­te noch er­wei­tern kann.

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14. Juli 2023

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