Kassiber | |||||
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Mario Vargas Llosa Victor Hugo begann 1847 mit der Niederschrift seines Romans "Die Elenden", der sich zu einem Monumentalwerk von 1500 Seiten entwickelt hatte, als er ihn 1862 beendete. Parallel dazu verlief eine Entwicklung Hugos vom Royalisten zum Liberalen, die sich in seiner Arbeit an den "Elenden" niederschlug. Vargas Llosa sieht in dem Roman eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur trotz der Abschweifungen und überbordendenden Nebenstränge, die Hugo den Lesern zumutet. Tatsächlich sieht er darin ein poetologisches Stilmittel, das es Hugo ermöglicht ein Netz zu spinnen, mit dem er Historie, Fiktion und die Schicksale seiner Figuren miteinander verknüpft. Der Komplexität der Handlung entspricht die Komplexität der Handelnden. Hugo zeichnet sie mit all ihren Widersprüchen und Konflikten, Vargas Llosa ist sogar der Meinung er überzeichnet sie ganz bewusst: "In 'Die Elenden' sind die Hauptfiguren nicht so sehr Menschen aus Fleisch und Blut als vielmehr Helden im homerischen Sinn, Halbgötter, die die menschlichen Grenzen überwinden und in ihren physischen oder moralischen Großtaten und ihrer unwandelbaren Güte oder Grausamkeit Göttern oder Teufeln ähneln." S. 68 'Die Elenden' ist kein Historienroman, auch wenn die Kulisse eine historische ist. Es handelt sich um eine Transgression der Historie zu einer Metawirklichkeit. Diesen Prozess, den der Roman durchlaufen hat, parallel zur Entwicklung seines Autors, analysiert Vargas Llosa akribisch. Entstanden ist dabei ein Text, der nicht nur die Poetologie Hugos sichtbar werden lässt, sondern auch Auskunft über seine eigene gibt. "Tatsächlich aber läßt jedes literarische Werk den Leser "das Unmögliche" leben, indem es ihn seines gewöhnlichen Ichs enthebt, die Schranken seines Daseins durchbricht und sein Leben durch die Identifikation mit den Figuren der Fiktion vielseitiger und intensiver macht oder auch verworfener und grausamer oder einfach nur anders, als es das Hochsicherheitsgefängnis des realen Lebens zulassen würde. Deshalb und dafür existiert die Literatur. Weil wir nur ein einziges Leben haben, unsere Sehnsüchte und Phantasien aber für tausend ausreichen würden." S. 194 8. Juli 2024 |
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