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Mario Vargas Llosa Victor Hugo Die Elenden Mario Vargas Llosa
Victor Hugo und die Ver­su­chung des Un­mög­li­chen.
Aus dem Spanischen von Angelica Ammar.
Suhrkamp Verlag 2006, 201 Sei­ten
ISBN 978-3-518-41761-4

Victor Hugo begann 1847 mit der Nie­der­schrift seines Ro­mans "Die Elen­den", der sich zu ei­nem Mo­nu­men­tal­werk von 1500 Seiten ent­wi­ckelt hat­te, als er ihn 1862 be­en­de­te. Pa­ral­lel dazu ver­lief ei­ne Ent­wick­lung Hugos vom Ro­ya­lis­ten zum Li­be­ra­len, die sich in sei­ner Ar­beit an den "Elen­den" nie­der­schlug.

Vargas Llosa sieht in dem Ro­man eines der be­deu­tends­ten Wer­ke der Welt­li­te­ra­tur trotz der Ab­schwei­fun­gen und über­bor­den­den­den Ne­ben­strän­ge, die Hugo den Lesern zu­mu­tet. Tat­säch­lich sieht er da­rin ein poe­to­lo­gi­sches Stil­mit­tel, das es Hu­go er­mög­licht ein Netz zu spin­nen, mit dem er His­to­rie, Fik­tion und die Schick­sa­le sei­ner Fi­gu­ren mit­ei­nan­der ver­knüpft.

Der Komplexität der Hand­lung ent­spricht die Kom­ple­xi­tät der Han­deln­den. Hugo zeichnet sie mit all ih­ren Wi­der­sprü­chen und Kon­flik­ten, Vargas Llo­sa ist so­gar der Meinung er über­zeich­net sie ganz be­wusst: "In 'Die Elen­den' sind die Haupt­fi­gu­ren nicht so sehr Men­schen aus Fleisch und Blut als viel­mehr Helden im ho­me­ri­schen Sinn, Halb­göt­ter, die die mensch­li­chen Gren­zen über­win­den und in ih­ren phy­si­schen oder mo­ra­li­schen Groß­ta­ten und ih­rer un­wan­del­ba­ren Gü­te oder Grau­sam­keit Göt­tern oder Teu­feln äh­neln." S. 68

'Die Elenden' ist kein His­to­rien­ro­man, auch wenn die Ku­lis­se ei­ne his­to­ri­sche ist. Es han­delt sich um ei­ne Trans­gres­sion der His­to­rie zu ei­ner Me­ta­wirk­lich­keit. Die­sen Pro­zess, den der Ro­man durch­lau­fen hat, pa­ral­lel zur Ent­wick­lung seines Au­tors, ana­ly­siert Vargas Llosa akri­bisch. Ent­stan­den ist da­bei ein Text, der nicht nur die Poe­to­lo­gie Hugos sicht­bar wer­den lässt, son­dern auch Aus­kunft über sei­ne ei­ge­ne gibt.

"Tatsächlich aber läßt je­des li­te­ra­ri­sche Werk den Le­ser "das Un­mög­li­che" leben, in­dem es ihn sei­nes ge­wöhn­li­chen Ichs ent­hebt, die Schran­ken sei­nes Da­seins durch­bricht und sein Le­ben durch die Iden­ti­fi­ka­tion mit den Fi­gu­ren der Fiktion viel­sei­ti­ger und intensiver macht oder auch ver­wor­fe­ner und grau­sa­mer oder einfach nur an­ders, als es das Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis des rea­len Le­bens zu­las­sen würde. Des­halb und dafür exis­tiert die Li­te­ra­tur. Weil wir nur ein ein­zi­ges Le­ben ha­ben, un­se­re Sehn­süch­te und Phantasien aber für tau­send aus­rei­chen würden." S. 194


Über Literatur

8. Juli 2024

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