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Claudio Magris Die Erzählungen "Gekrümmte Zeit in Krems" von Claudio Magris behandeln zentrale Themen des Älterwerdens und der Reflektion über das eigene Leben im Kontext von persönlicher und kollektiver Geschichte. Der Titel dieser Erzählungssammlung spielt auf die Relativitätstheorie Einsteins an und die Untrennbarkeit von Raum und Zeit. Magris, ein in Triest geborener Schriftsteller und Literaturwissenschaftler, nutzt die Raumzeitkrümmung als Metapher für die Perspektive auf das Leben im Alter. Diese Idee, dass Zeit nicht linear ist und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft möglicherweise gleichzeitig existieren können, erweckt die Hoffnung, dass Menschen nicht strikt an eine lineare Zeitachse gebunden sind. Dies wird besonders relevant, wenn das Ende des Lebens näher rückt. Die Protagonisten der fünf Geschichten sind ältere Männer, meist Italiener, die durch die Ereignisse des frühen 20. Jahrhunderts geprägt wurden: Kriege, Rassenverfolgung und Migration. Vier von ihnen leben in Triest, der fünfte in Piemont. Diese Männer haben in ihrer Jugend die Habsburgerzeit erlebt und erkunden nun den "würdigen Rückzug" aus dem Leben. Jede Erzählung bietet Momentaufnahmen, die den Protagonisten Gelegenheiten zur Retrospektive geben und zeigen, was sie erreicht oder versäumt haben. Ein Beispiel ist ein reicher Industrieller, der nach dem Verkauf seiner Firmen als Portier arbeitet und dadurch eine neue Freiheit findet. Ein anderer Protagonist, ein jüdischer Schriftsteller, lebt in einer ärmlichen Pension in Piemont und wird bei Literaturpreis-Events geehrt, während ein Musiklehrer, der als Sohn polnischer Juden nach Triest kam, schmerzhafte Erinnerungen durch die Wiederbegegnung mit einem ehemaligen Schüler erlebt. Weitere Figuren sind ein Literaturwissenschaftler und ein Kafka-Experte, die beide mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Magris' Geschichten kombinieren persönliche und kollektive Geschichte und sind geprägt von Wehmut und Melancholie. Die Protagonisten mischen Momente des Alltags mit der Allgegenwart historischer Ereignisse, wobei Triest, die Hafenstadt der ehemaligen Habsburger Monarchie, als leuchtender Brennpunkt dient. Das Meer taucht in den Erzählungen als Symbol für Ankunft, Bedrohung und Reflexion der Seele auf, und zeigt die elementare Kraft einer utopischen Poesie, die in der Habsburgerzeit verwurzelt ist. 23. Juli 2024 |
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