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Peter Michalzik Peter Michalzik behandelt in seinem Buch "Die Liebe in Gedanken" die Dichter Boris Pasternak, Marina Zwetajewa und Rainer Maria Rilke, aus deren umfangreichen Briefwechseln er die Jahre ihrer poetischen Liebe rekonstruiert. Weitere Quellen sind sachkundige Biografien über diese Dichter, die zu den bedeutendsten ihrer Zeit zählen. "Dieses Buch basiert nicht auf einer wahren Geschichte, es versucht eine wahre Geschichte zu erzählen." (S.320) Pasternak, der später "Doktor Schiwago" schrieb und den Literaturnobelpreis verliehen bekam, lebte in Russland, während Zwetajewa viele Jahre im Exil in Prag und Frankreich verbrachte und Rilke seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegte, wo er einige Zeit in einem Sanatorium auf Heilung hoffte. Das Buch ist in fünf Teile gegliedert und beginnt mit den Jahren 1918 bis 1925, als Zwetajewa und Pasternak sich bei Lesungen erstmals trafen und eine Korrespondenz begannen. Der zentrale Teil des Buches konzentriert sich auf das Jahr 1926, als Pasternak den Briefwechsel um Rilke erweiterte. Trotz intensiver Bemühungen kam es zu keiner stabilen Dreierkommunikation. Stattdessen entstanden individuelle Beziehungen: Zwetajewa und Pasternak blieben in Kontakt, und Zwetajewa begann einen eigenen Briefwechsel mit Rilke. Michalzik beleuchtet die persönlichen und literarischen Verbindungen zwischen den Dichtern, ihre unterschiedlichen Ansichten zur russischen Revolution und die Schwierigkeiten ihrer Kommunikation aufgrund der politischen Lage und der geografischen Distanz. Er beschreibt, wie Pasternaks und Zwetajewas Verhältnis von gegenseitiger Faszination und Missverständnissen geprägt war, während Rilke in seinem letzten Lebensjahr für beide auf unterschiedliche Weise eine bedeutende Rolle spielte. Gedichte entstanden, wurden den anderen zugeschickt, ebenso wie handkopierte Briefe – meist von Rilke an Zwetajewa, die sie an Pasternak weiter leitete. Der biografische Bericht endet nach Rilkes Tod, als die Verbindung zwischen Pasternak und Zwetajewa zwar fortbestand, aber die erhoffte Nähe nie wirklich erreicht wurde. Die Themen dieser Korrespondenz waren die Liebe und die Poesie in nahezu obsessiver Ausprägung. Projektionen, unerfüllte Sehnsüchte, die Ferne kann Lust und Qual zu einem Karussell werden lassen, dem die Liebe dann nicht standhalten kann. Doch in diesem Jahr, das im Zentrum des Buches steht, erleben wir den poetischen Taumel dreier Dichter, die sich im Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und leibhaftiger Begegnung und der Notwendigkeit der Distanz, um die poetische Korrespondenz auf höchstem Niveau fortsetzen zu können, aufreiben. Denn nichts ist real jenseits von Zeit und Raum. Auch nicht in der Poesie. Und in der Liebe schon gar nicht. "Boris! Wahrscheinlich wirst Du im Sommer irgendwohin fahren, also: alle Geräusche in der Nacht, im Freien werden ICH sein. Wenn ein Baum im Wind schwankt. Wenn ein Zug heult. Das werde ich sein, die Dich ruft – unüberwindbar." (S. 160) Exkurs: "Doch mein Heute ist komplette Verwesung." 24. Juli 2024 |
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