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Eugene "Bucky" Cantor ist ein 23-jähriger Sportlehrer im jüdischen Viertel von Newark und beaufsichtigt in den Sommerferien 1944 Jugendliche auf einem Sportplatz. Seine Freunde kämpfen in Europa gegen den Faschismus, Bucky wurde wegen einer Sehschwäche und seiner zu geringen Körpergröße für untauglich erklärt. Er sieht sich als Kämpfer an der Heimatfront und versucht sich damit zu trösten, denn dass er nicht mehr für sein Land tun kann in diesem Krieg, lastet schwer auf ihm. Währenddessen bricht eine Polioepidemie in Newark aus und fordert erste Opfer. Weder ist bekannt, wie sich die Seuche verbreitet, noch kennt man ein Mittel dagegen. Panik und Misstrauen machen sich breit, besonders als es zu ersten Todesfällen kommt. Bucky versucht sowohl mit Verständnis und Mitgefühl für die Opfer und ihre Angehörigen als auch mit Vernunft und Fürsorge, die Aufregung nicht eskalieren zu lassen. Buckys Freundin Marcia arbeitet in einem Ferienlager in den Poconos und drängt ihn, die Stelle eines Bademeisters dort anzunehmen, die gerade erst frei geworden ist. Weitab von den Risiken der Epidemie und der sich ausbreitenden Paranoia in Newark, könnte er wieder mit Jugendlichen arbeiten und seiner zukünftigen Verlobten nah sein. Nach einem Gespräch mit Marcias Vater, der ihre Pläne unterstützt, und nach Niederringen der eigenen Gewissenskonflikte, sagt Bucky zu und nimmt die Stelle an. Die beiden Verliebten erleben eine glückliche Zeit und Bucky findet guten Kontakt zu den Jugendlichen und einem ihrer Betreuer. Doch aus Newark dringen schlechte Nachrichten zu ihm durch. Polio breitet sich weiter aus, die Zahl der Todesfälle steigt, unter ihnen auch immer mehr Jugendliche, die Bucky auf den Sportplätzen betreut hat. Bucky fühlt sich als Fahnenflüchtiger, der seines eigenen Glücks wegen die ihm Anvertrauten im Stich gelassen hat. Und dann zeigt Donald, der Betreuer der Jugendlichen, mit dem Bucky inzwischen eine enge Freundschaft verbindet, Symptome, die ebenfalls auf eine Infektion mit dem Poliovirus hindeuten. Die Seuche hat das Camp erreicht, und Bucky fürchtet, dass er selbst der Überträger gewesen sein könnte. Er lässt sich untersuchen und der Verdacht bestätigt sich; obwohl er ohne Symptome gewesen ist, trägt er das Virus in sich. 1971 begegnet Arnold ("Arnie") Mesnikoff, einer der Jungs, über die Bucky 1944 die Aufsicht hatte, dem stark eingeschränkten Bucky Cantor. Arnie, der auch einer der ersten Infizierten unter den jüdischen Jugendlichen gewesen ist, gibt das Gespräch wieder, das er mit Bucky geführt hat. Der berichtet vom Ausbruch der Krankheit bei ihm, der Odyssee durch mehrere Krankenhäuser und Rehabilitationszentren, aber vor allem schildert er sein alles überschattendes Gefühl von Schuld, das auch zum Ende der Beziehung zu Marcia geführt hat. Die weiter zu ihm stand, die auf die Heirat drängte und von Bucky doch immer wieder aufs Gröbste zurückgewiesen wurde. Der Roman ist in Form eines Triptychons strukturiert. Der erste Teil gleicht einem Heldenepos, das durch die Augen von Arnie wahrgenommen wurde, Bucky die Sportskanone, Bucky der Fels in der Brandung der zunehmenden Paranoia und Bucky, der sich mutig den italienischen Jugendlichen in den Weg stellt, die auf provokante Weise den Polioerreger in das bis dahin davon verschonte jüdische Viertel tragen wollen. Der zweite Teil stellt die Zuspitzung der Konflikte dar, in denen sich Bucky bewegt, von denen er hin- und hergerissen wird. Kann er sein persönliches Glück über die Verantwortung stellen, die er gegenüber den ihm anvertrauten Jugendlichen hat? Das Schicksal, die Rachegöttin Nemesis, nimmt ihm einen Teil der Verantwortung ab, indem auch bei ihm die Krankheit ausbricht. Der dritte Teil setzt all dies in ein Verhältnis zueinander und thematisiert die verschiedenen Herangehensweisen der Protagonisten an ihre individuellen Tragödien. Alle ethischen und religiösen Fragen, die von Anfang an den Roman durchziehen, werden in diesem Teil durch die Antipoden Arnie und Bucky aufgeworfen und unterschiedlich, ja gegensätzlich beantwortet. Während Bucky im Schlund seiner (vermeintlichen) Schuld versinkt, sich selbst und Gott (an den er eigentlich nicht glaubt) anklagt und jede Form der Erleichterung seines Lebens kategorisch ablehnt, hat sich Arnie den Herausforderungen seiner Erkrankung gestellt und sich ein beruflich befriedigendes und privat glückliches Leben aufgebaut. Nemesis ist Philip Roths letzter Roman. Er starb 8 Jahre nach dessen Veröffentlichung. 14. Januar 2025 |
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