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Autoren Glossen Lyrik

Saviano Gomorrha Roberto Saviano
Gomorrha. Rei­se in das Reich der Ca­mor­ra.
Aus dem Ita­lie­ni­schen von Frie­de­ri­ke Haus­mann und Rita Seuß.
Carl Hanser Verlag 2007, 365 Sei­ten, ISBN 978-3-412-21035-9

„Gomorrha” ist eine in­ves­ti­ga­ti­ve Re­por­ta­ge über das kri­mi­nel­le Netz­werk der Ca­mor­ra in Nea­pel und Süd­ita­lien. Ver­öf­fent­licht im Jahr 2006, be­leuch­tet das Werk die bru­ta­len Ma­chen­schaf­ten und die tief­grei­fen­de Macht der Ca­mor­ra, die nicht nur den Dro­gen­markt kon­trol­liert, son­dern auch in Be­rei­chen wie dem Bau­we­sen, der Mode und der Müll­ent­sor­gung tä­tig ist. Sa­via­no be­schreibt die Ca­mor­ra als eine Pa­ral­lel­ge­sell­schaft, die Po­li­tik, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft durch­dringt und das täg­li­che Le­ben in Süd­ita­lien be­stimmt. Be­son­ders be­tont er ihre Fle­xi­bi­li­tät im Ver­gleich zu an­de­ren kri­mi­nel­len Or­ga­ni­sa­tio­nen, die in Süd­ita­lien ihre Wur­zeln und Macht­zent­ren ha­ben. Die Ca­mor­ra ist in der Lage, sich in­ner­halb kür­zes­ter Zeit ver­än­der­ten öko­no­mi­schen Be­din­gun­gen und neu­en Ab­satz­märk­ten an­zu­pas­sen und wei­tet ihr Be­tä­ti­gungs­feld auch auf an­de­re Kon­ti­nen­te aus. Af­ri­ka und Chi­na ste­hen da­bei ganz oben auf der Lis­te.

Der Preis für eine sol­che Fle­xi­bi­li­tät ist al­ler­dings eine im­mer wie­der­keh­ren­de, mit Ge­walt aus­ge­tra­ge­ne Ri­va­li­tät zwi­schen den Clans, die ihre Ein­fluss­be­rei­che aus­wei­ten wol­len und da­bei über Lei­chen ge­hen.

Das Buch bietet ei­nen Ein­blick in die kom­ple­xe Struk­tur der Or­ga­ni­sa­tion. Vom un­be­zahl­ten Ku­rier, der sich ei­nen Auf­stieg und im­men­sen Reich­tum er­hofft, über die ver­schie­de­nen Ebe­nen des Sys­tems bis hin zu den Clan­bos­sen, die ih­ren Lu­xus pom­pös zur Schau stel­len – nicht sel­ten aber über Jah­re und Jahr­zehn­te in Ver­ste­cken hau­sen müs­sen. Sa­via­no kom­bi­niert in­ves­ti­ga­ti­ve Re­cher­che mit per­sön­li­chen Er­leb­nis­sen und schil­dert, wie die Ca­mor­ra wie ein in­ter­na­tio­na­les Un­ter­neh­men funk­tio­niert, das mo­der­ne neo­li­be­ra­le Prin­zi­pien wie Out­sour­cing und Stake­hol­der-Ma­nage­ment nutzt.

Saviano zeigt, wie die Ca­mor­ra glo­ba­le Märk­te be­ein­flusst und wie sie in vie­len Be­rei­chen der Wirt­schaft, von der Mode bis zum Bau­ge­wer­be, ihre Fin­ger im Spiel hat. Er un­ter­sucht die Geld­strö­me, die aus il­le­ga­len Ge­win­nen in le­ga­le Ge­schäf­te in­ves­tiert wer­den. Be­son­ders be­ein­dru­ckend ist sei­ne Dar­stel­lung der Müll­ent­sor­gung, mit der die Ca­mor­ra drei­stel­li­ge Mil­lio­nen­be­trä­ge ver­dient und ohne Skru­pel gif­ti­ge Ab­fäl­le in länd­li­chen Ge­gen­den ent­sorgt, ohne Rück­sicht auf die öko­lo­gi­schen Schä­den und die ge­sund­heit­li­chen Fol­gen für die ört­li­che Be­völ­ke­rung.

Seit der Ver­öf­fent­li­chung des Bu­ches lebt Sa­via­no un­ter Po­li­zei­schutz. Die bri­san­te Re­cher­che hat welt­weit Auf­merk­sam­keit er­regt und das Be­wusst­sein für die weit­rei­chen­den Aus­wir­kun­gen des or­ga­ni­sier­ten Ver­bre­chens ge­schärft. „Go­morr­ha” ist nicht nur eine kri­ti­sche Aus­ei­nan­der­set­zung mit der Ca­mor­ra, son­dern auch eine An­kla­ge ge­gen das Ver­sa­gen von Po­li­tik und Ge­sell­schaft im Um­gang mit Ar­mut und Rück­stän­dig­keit im süd­li­chen Ita­lien.


19. März 2025

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