Kassiber leer
Autoren Glossen Lyrik

Robert Seethaler Ein ganzes Leben Robert Seethaler
Ein ganzes Leben.
Roman.
Hanser Berlin 2014, 155 Sei­ten
ISBN 978-3-446-24645-4

Nach dem Tod seiner Mut­ter wird An­dre­as Eg­ger – etwa vier­jäh­rig – sei­nem Onkel Hu­bert Kranz­sto­cker über­ge­ben. In dem klei­nen Ort hat sich seit Ge­ne­ra­tio­nen nichts ver­än­dert, der Bauer herrscht über Fa­mi­lie und Ge­sin­de, wenn es sein muss auch mit bru­ta­ler Gewalt. Andreas er­lei­det ei­nen blei­ben­den Scha­den an einem Bein bei einem sol­chen Ge­walt­aus­bruch, seit­dem hinkt er.

Er wächst heran, seine Be­dürf­nis­se sind so be­schei­den wie die Möglichkeiten sie zu be­frie­di­gen. Er arbeitet – als Hilfs­knecht, beim Bau ei­ner Berg­bahn –, im Grunde ist es egal, er ist an­spruchs­los, Ehr­geiz oder Neid kennt er nicht.

Dann begegnet er Marie und weiß, mit ihr will er le­ben; ein klei­nes Grundstück, ein Haus hoch oben, das ist das Glück. Bis eine Lawine alles in den Ab­grund reißt, außer ihm, der mit blo­ßen Hän­den den Schnee durchwühlt, um sie zu ret­ten. Ver­geb­lich.

Der Krieg bricht aus, es ist der Erste Welt­krieg, Eg­ger wird Sol­dat und gerät in rus­si­sche Ge­fan­gen­schaft. Als er nach acht Jahre in sein Dorf zu­rück kehrt bleibt er für sich, führt Tou­ris­ten über die Ber­ge, lebt unter ärmlichsten Um­stän­den und mit 79 Jah­ren stirbt er.

Ein "einfacher" Mensch, dem vie­les widerfährt, der es nimmt wie es kommt (außer dem Tod seiner schwan­ge­ren Frau Ma­rie), der das Glück nur für kur­ze Zeit erlebt und al­les an­de­re als schicksalhaft er­dul­det. See­tha­ler schildert die­ses Le­ben oh­ne Pa­thos und doch immer wieder er­grei­fend ("ein je­der hinkt für sich alleine"). Es liegt ein me­lan­cho­li­scher Schlei­er über dem Text, dem man sich wi­der­stands­los hingibt. Je­den­falls ging es mir so..

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4. Juni 2023

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