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Giuseppe Sinopoli Giuseppe Sinopoli (1946 – 2001) ist uns vor allem als Dirigent und Komponist bekannt. In Venedig geboren, aber in Sizilien aufgewachsen, begann er mit 12 Jahren eine Ausbildung zum Organisten. Nachdem er mit 15 Jahren wieder nach Venedig gezogen war, studierte er am dortigen Konservatorium Musik und Komposition. Nach dem Abschluss seiner Studien engagierte er sich vor allem für Neue Musik, die er dirigierte und für die er komponierte. Seine Karriere als Dirigent von Opern begann 1978 in Venedig mit Verdis "Aida". Zur Vorbereitung hatte er die Originalmanuskripte Verdis studiert und darin Abweichungen zu der damals üblichen Aufführungspraxis entdeckt, die zu einer sehr persönlichen Interpretation auch zukünftiger Auftritte führte. Damit begann eine Karriere, die ihn renommierte Orchester an wichtigen Opernhäusern in Europa leiten ließ. Wenig bis gar nicht bekannt ist hingegen, dass Sinopoli parallel zu seinem Musikstudium an der Universität Padua Medizin, Psychiatrie und Anthropologie studierte und in Medizin auch promovierte. Ebenso wenig bekannt sein dürfte seine Dissertationsschrift in Vorderasiatischer Archäologie über das "Bit Hilani", eine Gebäudeform, die etwa von 1500 v. Chr. bis zum Ende des 7. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung in Kleinasien und dem Nahen Osten vorkam. Wenige Tage bevor er die Schrift hätte verteidigen sollen, erlitt er während einer Aufführung von "Aida" an der Deutschen Oper Berlin einen Herzinfarkt und verstarb. Dass seine Interessen und sein Wissen aber noch erheblich weiter gesteckt waren, zeigt uns die Lektüre von "Parsifal in Venedig". Darin begibt er sich auf eine Reise durch Venedig, die schließlich zu einer Initiation im kulturgeschichtlichen Sinn wird, in der sich ihm Geheimnisse und Muster enthüllen, die Venedig seit der Gründung geschaffen und bewahrt hat. Der als "Roman" bezeichnete Text beginnt nach dem Ende einer Orchesterprobe im Teatro La Fenice, wo Sinopoli den Parsifal dirigiert. Auf dem Weg zu einem Freund verirrt er sich, und damit beginnt eine Assoziationsflut über ihn und die Leser zu stürzen, die Wagners von Leitmotiven geprägte Musik mit der Symbolik einer Stadt verknüpft, die ihm dabei zur "Stadt der Wiedergeburt" wird. Er schöpft aus den Mythen der Antike und den Werken seiner intellektuellen Leitsterne Nietzsche, Evola, Eliade und René Guénon sowie – selbstverständlich – aus der Mythologie Richard Wagners, wie er sie in seinen Parsifal eingewoben hat. Schon bald stellt sich Sinopoli Venedig als Labyrinth dar. Die Struktur der Stadt, die Plätze, Straßen, Brunnen und Brücken begreift er als die Stationen einer Reise, die nicht nur in sein eigenes Inneres führt, sondern ihm auch ein tieferes Verständnis für die kompositorischen Geheimnisse des Parsifal offenbart, und sich wiederum auf zunehmend natürliche Weise mit den die Zeiten übergreifenden Strukturen der Menschheitsgeschichte verbindet. Mit den Mitteln von Philosophie, Mythologie, Esoterik, Psychoanalyse und Archäologie dechiffriert Sinopoli, der seinen Tod während eines Dirigats von Verdis "Aida", der Oper, mit der er debütierte, als Vollendung eines Kreises betrachtet haben würde, die Zeichen, die den Weg zur Erlösung weisen. Seiner eigenen und der Parsifals. Tod und Wiedergeburt als Prozess zu einem höheren Selbst. Das Büchlein wurde 1993 für einen erweiterten Freundeskreis als Privatdruck konzipiert und liegt erst postum einer breiteren Öffentlichkeit vor. → Musik 25. November 2024 |
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