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Miriam Weinstein Die jiddische Sprache ist zahlreichen Einflüssen unterworfen, und dennoch gibt es einige Konstanten, die über die Jahrhunderte erhalten geblieben sind. So entstammen etwa drei Viertel des jiddischen Vokabulars dem Deutschen, einem Deutsch allerdings, das seine mittelalterlichen Prägungen nicht leugnen kann, die Ursprünge des Jiddischen reichen zurück bis ins 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Miriam Weinstein verfolgt den Aufstieg und den Niedergang (?) dieser Sprache mit historischer Genauigkeit, jedoch im Stil einer erzählenden Geschichte, die den Zugang zu dem komplexen Thema wesentlich erleichtert. Ursprünglich für den Hausgebrauch und für Frauen vorgesehen, haftete dem Jiddischen der Makel eines Kauderwelschs an, der im starken Kontrast zu den Studien der heiligen Schriften des Judentums stand, die in Hebräisch stattfanden. Intellektuelle Juden der Aufklärungszeit empfahlen den Gebrauch der jeweiligen Landessprache, während sich, vor allem im östlichen Europa, das Jiddische zuerst zur Volkssprache und schließlich weiter zu einer Kultursprache entwickelte, die eine umfangreiche und vielseitige Literatur hervorbrachte. Zu nennen sind hier Autoren wie Mendele Mojcher Sforim, J.L. Perez und Scholem Alejchem. Im 20. Jahrhundert sprachen mehr als 10 Millionen europäische Juden Jiddisch, bevor die nationalsozialistischen Rassenfanatiker und ihre Handlanger den Großteil von ihnen auf grausamste Weise umbrachten. Doch schon vor der Shoah waren Juden aus Europa in die beiden Amerikas und nach Palästina geflohen und bildeten dort jiddischsprachige Gemeinden. Sowohl in den USA als auch im 1948 gegründeten Staat Israel erfuhr das Jiddische aber ein ähnliches Schicksal wie einige hundert Jahre zuvor: es wurde als Relikt eines rückständigen Judentums angesehen und sollte durch Englisch bzw. Hebräisch ersetzt werden. Ähnliches geschah in der Sowjetunion, wo Jiddisch in einigen Gebieten als offizielle Sprache anerkannt worden war, mit dem zunehmend antijüdischen Kurs, den Stalin unter dem Deckmantel des Kosmopolitentums ab dem Ende der 40er Jahre einschlug, jedoch zu starken Einschränkungen der Ausübung führte. Miriam Weinstein konstatiert, dass in der Gegenwart Jiddisch fast nur noch in ultraorthodoxen jüdischen Gemeinden gesprochen wird, die Kinder und Enkel der emigrierten jiddischsprachigen Juden inzwischen ausschließlich Englisch bzw. Hebräisch sprechen. Die Autorin verknüpft ihre Ausführungen über die Entwicklung der jiddischen Sprache mit den historischen und kulturellen Umständen, unter denen diese Entwicklung stattfand. Weshalb wir es nicht nur mit einer sprachhistorischen Abhandlung zu tun haben, sondern ebenso mit der Geschichte und Kultur jüdischen Lebens in Europa und den Ländern, in die es die "Jidden" verschlagen hatte. Ein Glossar jiddischer Ausdrücke, eine Bibliografie zur jiddischen Sprache (wo allerdings das deutschsprachige Werk Salcia Landmanns "Jiddisch. Abenteuer einer Sprache" nicht aufgeführt ist) sowie ein umfangreiches Register beschließen den Band. → Sprache 25. August 2024 |
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