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Die Biografie „Colette“ von Claude Francis und Fernande Gontier zählt zu den umfassendsten Darstellungen des Lebens der französischen Autorin Sidonie-Gabrielle Colette. Die beiden Literaturwissenschaftlerinnen setzen auf eine klar strukturierte, chronologisch aufgebaute Erzählweise, die sich auf eine Vielzahl an Quellen stützt – darunter Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Zeitzeugenberichte. Von ihrer Arbeit als Tänzerin und Schauspielerin über ihre journalistische Tätigkeit bis hin zu ihrem literarischen Schaffen entsteht das Bild einer Frau, die unbeirrbar ihren eigenen Weg ging. Ihre unkonventionellen Beziehungen und ihr offener Umgang mit Themen wie Sexualität, Ehe und Geschlechterrollen werden ausführlich dargestellt. Zugleich lässt sich „Colette“ als eine Art Kulturgeschichte des fin de siècle und der Belle Époque lesen – als Porträt einer Frau, die sich konsequent gegen gesellschaftliche Erwartungen stellte und deren Leben maßgeblich von der Suche nach Liebe geprägt war. Die Darstellung ihrer Liebschaften und Beziehungen erscheint zuweilen etwas wahllos, wobei in vielen Fällen die Art der Beziehung unklar bleibt: zu viele Namen, zu viele Andeutungen, um noch den Überblick zu bewahren. Für viele zeitgenössische Schriftsteller*innen galt Colette als Inbegriff eines weiblichen Genies – sensibel, leidenschaftlich, kompromisslos. In der Kulturszene des frühen 20. Jahrhunderts war sie eine prominente Persönlichkeit: als Varietékünstlerin, Gastgeberin literarischer Salons, Schauspielerin und vor allem als Schriftstellerin. Mit zwanzig Jahren heiratete sie den bekannten Kritiker Henry Gauthier-Villars, genannt Willy, der sich zunächst den Ruhm ihrer Claudine-Romane aneignete, was nach dem Ende der Ehe zu einem erbitterten und hasserfüllten öffentlich ausgetragenen Streit führte. Diese Zeit markierte für Colette eine Phase intensiver künstlerischer und persönlicher Selbstfindung: Sie trat als Nackt-Tänzerin auf, schrieb weiter, lebte offen homosexuell und stellte bestehende Vorstellungen von Ehe und Mutterschaft in Frage. Später ging sie eine Ehe mit Henry de Jouvenel ein, hatte jedoch auch eine öffentlich diskutierte Affäre mit dessen Sohn – ein Beziehungsgeflecht, das ebenso viel Aufmerksamkeit erregte wie ihre literarischen Erfolge. Nahezu sechzigjährig heiratete Colette ein drittes Mal, den sechzehn Jahre jüngeren Maurice Goudeket, und zog sich schrittweise aus der Öffentlichkeit zurück. Nach ihrem Tod 1954 erhielt sie als erste Frau Frankreichs ein Staatsbegräbnis. Die Vielzahl der Namen und Daten, die von den Autorinnen angeführt werden, hat mich streckenweise erschlagen und zu einer zeitweiligen Orientierungslosigkeit geführt, die mich hat aufatmen lassen, als ich das Buch ausgelesen hatte. 2. Mai 2025 |
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