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Die akribisch recherchierte und umfangreiche Biographie von Wolfgang Haug über Theodor Plievier verfolgt zwei Ziele: Zum einen die konkrete Erfassung der Lebensdaten des Autors von Romanen wie "Stalingrad", "Moskau" und "Berlin", zum anderen die Klarstellung seiner politischen Haltung. Im Westen häufig als (ehemaliger) Kommunist denunziert, wurde er in der DDR und der Sowjetunion als Renegat, der sich den kapitalistischen Verführungen ergeben hatte, aus der Literaturgeschichte getilgt. Haugs Darlegungen beschreiben Plievier als einen schonungslosen Kritiker totalitärer Systeme, der die Freiheit des Einzelnen über alles stellte. Plieviers Lebensspanne (1892-1955) umfasst das Kaiserreich, die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus sowie die beiden deutschen Nachkriegsstaaten. Er starb in der Schweiz, wo er seine letzten Jahre verbrachte. Wolfgang Haugs Biographie zeichnet ein detailliertes Bild des Schriftstellers als überzeugten Anarchisten und Antimilitaristen. Plievier begann sein Berufsleben als Matrose, erlebte den Ersten Weltkrieg und wurde durch die Novemberrevolution 1918 politisiert. Er engagierte sich zunächst im anarchistischen und syndikalistischen Milieu, bevor er in Berlin als Autor und Verleger aktiv wurde. Sein literarischer Durchbruch gelang ihm mit "Des Kaisers Kulis" (1930) und "Der Kaiser ging, die Generäle blieben" (1932). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh er ins Exil, zunächst nach Prag und Paris, später in die Sowjetunion. Dort geriet er als Nichtkommunist in eine schwierige Lage, entging aber den stalinistischen Säuberungen, denen viele seiner Kollegen zum Opfer fielen. Während seines Exils schrieb er seinen bekanntesten Roman "Stalingrad" (1945), der auf Interviews mit deutschen Kriegsgefangenen basiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Plievier nach Deutschland zurück, verließ aber 1947 die Sowjetische Besatzungszone aufgrund zunehmender ideologischer Spannungen. In Westdeutschland und später in der Schweiz setzte er seine kritische Auseinandersetzung mit Diktaturen fort. Er trat für einen "Sozialismus von unten" und ein föderalistisches Europa ein. Wolfgang Haugs Biographie räumt mit vielen Missverständnissen auf, die ihren Ursprung vor allem in Harry Wildes Biographie über Plievier, "Theodor Plievier. Nullpunkt der Freiheit", hatten, in der Wilde Plievier eine Nähe zum Kommunismus unterstellt, die nie bestanden hat. Mit Wolfgang Haugs Biographie liegt die erste wissenschaftlich fundierte Lebensbeschreibung von Theodor Plievier vor, die die historischen Umstände berücksichtigt, die Plieviers Lebenslauf bestimmt haben, und die sich gleichermaßen mit seinem literarischem Werk befasst. Ein umfangreiches Quellenverzeichnis und ein mehrseitiges Personenregister bieten die Möglichkeit, sich intensiver mit Leben und Werk von Theodor Plievier auseinanderzusetzen. 5. Februar 2025 |
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