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Sarah Kaminsky Was für ein Leben! Adolfo Kaminsky wurde 1925 in Argentinien als Sohn jüdisch-russischer Eltern geboren. 1932, im Alter von sieben Jahren, zog er mit seiner Familie nach Frankreich, wo er eine Lehre in einer Färberei begann und sein Interesse an chemischen Experimenten entdeckte. Nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht schloss sich Kaminsky der Résistance an. Aufgrund seiner Chemiekenntnisse wurde er der "Sechsten", einer kleinen jüdischen Gruppe, die in Paris ein Fälscherlabor der Widerstandsbewegung betrieb, zugeteilt. Kaminsky fälschte Ausweisdokumente, Lebensmittelkarten und andere wichtige Papiere, die Juden, Widerstandskämpfern und anderen Verfolgten halfen, der Nazi-Verfolgung zu entkommen. 1943 wurden er und seine Familie im Sammellager Drancy interniert, von wo aus ihre Deportation in ein deutsches Konzentrationslager erfolgen sollte. Die argentinische Staatsangehörigkeit rettete sie. 1944, kurz vor der Befreiung von Paris, wurde seine Gruppe verraten und er musste untertauchen. Nach Kontakten zum französischen Geheimdienst stellte er Papiere für Agenten her, die in Deutschland Informationen sammelten. Da seine Legalisierung nach dem Ende des 2. Weltkriegs an bürokratischen Hindernissen scheiterte, lebte er die nächsten Jahrzehnte unter falscher Identität. Nach dem Krieg arbeitete Kaminsky in Paris als Fotograf. Mitglieder der jüdischen Geheimorganisation Haganah, die in Europa entwurzelten Juden die Einreise nach Palästina ermöglichen wollten, traten an ihn heran, und er produzierte Ausweise und Visa in großer Zahl. Wegen der kolonialistischen Aktivitäten Frankreichs trennte sich Kaminsky vom französischen Geheimdienst und engagierte sich bald in der Unterstützung der algerischen Untergrundorganisation FLN. Durch Kontakte, die in dieser Zeit entstanden, erweiterte er seine Tätigkeit und fälschte Papiere für afrikanische und südamerikanische Befreiungsbewegungen sowie für Kämpfer gegen die Diktaturen in Portugal, Spanien und Griechenland. 1971 beendete er seine illegale Tätigkeit, da sich die Zeichen mehrten, dass das Netzwerk, dem er angehörte, undicht geworden war, er rechnete mit seiner Enttarnung und floh nach Algerien. Dort heiratete er und bekam Kinder, seine Tochter Sarah wird später seine Biografie verfassen. 1982 entschloss sich die Familie, nach Frankreich zurückzukehren, da die Entwicklung der Verhältnisse in Algerien Schlimmes befürchten ließ. Adolfo Kaminsky starb 2023, 97-jährig, in Paris. Sein Antrieb für dieses entbehrungsreiche Leben war nach eigener Aussage eine tiefe humanistische Verbundenheit mit allen Verfolgten. So beendete er, der zeitweise auch an der Entwicklung von Zündern für Sprengsätze beteiligt war, seine Zusammenarbeit mit Gruppen, von denen er den Eindruck gewonnen hatte, dass sie Gewalt auch gegen Unbeteiligte in Kauf nehmen würden. Da er sich für seine Fälschungen nie hatte bezahlen lassen, bewahrte er sich eine Unabhängigkeit, die es ihm ermöglichte, ungewollte oder verdächtige Kontakte jederzeit zu beenden. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ist es doch erstaunlich, dass er etwa 30 Jahre lang arbeiten konnte ohne jemals enttarnt zu werden. Das Buch ist in Form eines Interviews geschrieben. Sarah stellt einige wenige Fragen, Adolfo antwortet umfassend, und man darf davon ausgehen, dass die Tochter diese Antworten entsprechend redigiert hat. Herausgekommen ist das Heldenepos einer Tochter für ihren Vater und das ist der Makel an diesem spannenden und inhaltlich hoch interessanten Buch. 4. Juni 2024 |
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