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W. Somerset Maugham William Somerset Maugham (1874 – 1965) war zu Lebzeiten einer der auflagenstärksten Autoren englischer Sprache, einige seiner Bücher erreichen auch heute noch beachtliche Verkaufszahlen. "Rückblick auf mein Leben" ist keine Autobiographie, auch wenn der Titel das suggeriert (der englische Originaltitel passt – wie so oft – besser: The Summing Up). Maugham erteilt Auskunft über seine Entwicklung als Autor, biographische Daten finden nur insoweit Erwähnung als sie in einem unmittelbaren Zusammenhang damit stehen. So eröffnete ihm seine dreijährige Tätigkeit als Arzt in einem Armenkrankenhaus Zugang zu Leben und Leiden der englischen Arbeiterklasse, worüber zu schreiben zu dieser Zeit noch als nahezu skandalös empfunden wurde. "Summing Up" ist die Poetologie eines Erfolgsschriftstellers, der sein Schreiben nicht als Ausdruck seiner selbst auffasst, sondern der für ein breites Publikum schreibt, um damit einen möglichst großen Erfolg zu erzielen. Er studiert englische und französische Autoren, Maupassant mit besonderer Intensität, um von ihnen zu lernen und gibt uns damit einen interessanten Überblick über die Literaturen des 19. Jahrhunderts in diesen Ländern. Er ist sich seiner Grenzen als Autor bewusst und ist bestrebt innerhalb dieser Grenzen das Bestmögliche zu leisten. Für sein Schreiben hat er die Maxime gewählt: Klarheit, Einfachheit und Wohlklang. Nach dem überraschenden Erfolg seines ersten Romans ("Liza of Lambeth") erregte er erst einige Jahre später wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch einige Theaterstücke, die beim Publikum auf größere Zustimmung stießen als bei der Kritik. Nun strebt er einen ähnlichen Erfolg als Romanautor an, und es gelingt ihm. Er schildert seine Karriere als Erfüllung eines Plans, den er sich schon früh angeeignet und strukturiert haben will. Allerdings räumt er auch ein, dass ihm immer wieder besondere Situationen den Weg erleichtert haben. Seine Darstellung changiert zwischen strotzendem Selbstbewusstsein und Understatement. Maugham spricht darüber hinaus zahlreiche Themen an, die ihn intensiv beschäftigt haben. So etwa seine Auseinandersetzung mit philosophischen Standpunkten, von denen die Haltung Spinozas seiner eigenen am ehesten entsprochen hat. Der frühe Tod seiner Eltern und die bei einem bigotten Onkel verbrachte Kindheit haben seine ablehnende Einstellung zur Religion geprägt, seine Sichtweise ist illusionslos, auch der Gesellschaft gegenüber und deren kulturellen Eigenschaften: "Kultur ist eigentlich nur eine Maske, die das wahre Gesicht verhüllt." Er versteht sich selbst als Agnostiker, das Leben ist ohne jeden Sinn, der Suizid ist eine Möglichkeit des selbstbestimmten Sterbens und keineswegs verdammenswert. Eine Art Fazit seines Lebens könnten die folgenden Überlegungen sein: "Denn wenn Kunst als einer der großen Werte dieses Lebens angesehen werden soll, muß sie dem Menschen Ergebenheit, Toleranz, Weisheit und Größe bringen. Der Wert der Kunst liegt nicht im Schönen, sondern im Zeigen des richtigen Lebensweges." The Times They Are A-Changin' … Der Übersetzer von The Summing Up war 1948 übrigens der Komponist des "Weißen Rössl" und weiterer Operetten, Ralph Benatzky. Der Text ist 1997 in neuer Übersetzung bei Diogenes als "Die halbe Wahrheit – Keine Autobiographie" inzwischen neu aufgelegt worden. ---------------------------- 16. Oktober 2020 |
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