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Ptolemy Tompkins: Ansturm auf Eden Ptolemy Tompkins
Ansturm auf Eden.
Bericht aus dem In­ners­ten der Bo­hème des New Age.
Rogner & Bernhard bei Zwei­tausend­eins 1998, 337 Seiten
ISBN 3-8077-0187-7

Ptolemy Tompkins ist der Sohn von Peter Tomp­kins, dem Au­tor von Best­sel­lern wie "Cheops. Die Ge­heim­nis­se der Großen Py­ra­mi­de" oder "Das ge­hei­me Le­ben der Pflan­zen" [1]. In die­sem Schat­ten wuchs er auf.

Mit 13, etwa in dieser Zeit be­ginnt der Text, vertieft er sich in Hor­ror­co­mics und -fil­me, man lässt ihm große Frei­räu­me, die anderen Schü­ler be­nei­den ihn darum. Seine Dis­tanz zu den Eltern ist groß, er be­ob­ach­tet das Kom­men und Ge­hen selt­samer Ge­stal­ten mit amü­sier­ter Iro­nie. Der Va­ter ist Mit­tel­punkt einer eso­te­ri­schen Sze­ne, Hip­pies und New Age Apos­tel be­völ­kern das Leben des Auf­wach­sen­den. Für ihn sind alle Er­wach­se­nen mehr oder we­ni­ger ver­rückt, und dann taucht auch noch eine Frau auf, mit der der Vater eine Ehe zu dritt le­ben möch­te. Die Ehe der El­tern kri­selt, man kümmert sich um den Jun­gen nur spo­ra­disch. Macht ihm das et­was aus, fühlt er sich ein­sam? Spä­ter dann, als er längst mit Al­ko­hol und Dro­gen in seiner Sucht­welt an­ge­kom­men ist, las­sen manche Be­mer­kun­gen er­ah­nen, wie un­mög­lich es für ihn war, ei­ne stabile Per­sön­lich­keit zu ent­wi­ckeln. Der Va­ter ist für ihn lächerlich in der Jagd nach immer neuen Ge­heim­nis­sen, die es zu ent­hül­len gilt, und dann wie­der ver­eh­rungs­wür­dig und manch­mal bei­des zu­gleich.

Zwischen Jugend und Er­wach­se­nen­al­ter klafft eine Lü­cke in der Dar­stel­lung, wir er­le­ben Pto­lemy erst wieder als trin­ken­den, sich vom He­roin ent­wöh­nen­den und Me­di­ka­men­te miss­brau­chen­den Nichts­tuer, der weit­ge­hend auf die Zu­wen­dun­gen sei­ner Eltern angewiesen ist. Man erfährt von zwei älteren Ge­schwis­tern, die im ersten Teil des Buches keinerlei Er­wäh­nung gefunden hatten, man liest vom Sterben der Ge­lieb­ten des Vaters, die zeit­wei­se zu einer Art Mentorin des Sohnes ge­wor­den war, man liest vom alten Vater, des­sen Projekt zur Auf­fin­dung des le­gen­dä­ren Atlantis längst in einer Ab­stell­kam­mer ver­staubt, der Trep­pen baut, die ins Nir­gends füh­ren, und ihn selbst, der in lichteren Mo­men­ten eben dieses At­lan­tis­pro­jekt auf eigene Füße stel­len möch­te, eine Art Kul­tur­ge­schich­te der Idee At­lan­tis schrei­ben möchte. So, wie der Vater ein Ge­trie­be­ner ist, ist der Sohn ein sich treiben Las­sen­der. Am Ende – aus­ge­löst durch ein Gedicht von Rilke [2] – steht die Hoff­nung, dass, wenn die letz­te Tablette ge­schluckt und der letzte Tropfen Whis­ky ge­trun­ken ist, viel­leicht ein Le­ben möglich ist, das er als sein eigenes emp­fin­den kann.

Ptolemy Tompkins hat sich nicht vollständig von der Ge­dan­ken­welt seines Vaters ge­löst. Er schreibt Bücher über den Einfluss des Über­sinn­li­chen im tag­täg­lichen Ge­sche­hen und ähnliche The­men.

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1. Peter Tompkins (1919 – 2007) arbeitete während der Zwei­ten Weltkriegs als Kriegs­bericht­er­stat­ter für den Rund­funk und Zei­tun­gen sowie als Nachrichten­offizier beim Office of Strategic Services (OSS) in Italien. Nach dem Krieg betätigte er sich weiter als Journalist, später als Dreh­buch­autor und schließlich als Autor von Bü­chern, die sich mit Ge­heim­nis­sen der unter­schied­lichsten Art be­fas­sen.

2. Archaischer Torso Apol­los, ein Sonett, mit dem der Band Der Neuen Ge­dich­te anderer Teil (1908) be­ginnt. Hier besonders der Schluss:
"... denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern."

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20. November 2020

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