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Jörg Aufenanger John Höxter Jörg Aufenanger
John Höxter.
Poet, Maler und Schnor­rer der Berliner Bohème.
Quintus-Verlag 2016, 110 Sei­ten
ISBN 978-3-945256-75-6

Wem der Name John Höx­ter über­haupt et­was sagt, dem wird das Bild des ruhelosen Schnor­rers er­schei­nen, als der er in vielen Er­in­ne­run­gen seiner Zeit­ge­nos­sen auf­ge­taucht ist. Oder als der geist­rei­che Un­ter­hal­ter der Berliner Bo­hème der 10er und 20er Jahre, ein Künst­ler des Au­gen­blicks ohne hin­ter­las­se­nes Werk. Jörg Au­fe­nan­ger, der schon zu Grab­be, Hei­ne und Kleist pu­bli­ziert hat, bas­telt aus dem We­ni­gen, das es über und zu John Höx­ter zu wis­sen gibt, eine "bio­gra­phi­sche An­nä­he­rung" (S. 10), die den Men­schen und die Zeit be­schreibt, in der er ge­wirkt hat, ver­mut­lich nur wir­ken konn­te, und die ihn dann ver­schlin­gen wird.

1884 in Hannover ge­bo­ren, kam er 1906 nach Ber­lin, um an der Kunst­ge­wer­be­schu­le ein Stu­dium zu beginnen, das er aber bald abbrach. Von da an treibt es ihn durch die Cafés der Stadt und die ein­schlä­gi­gen Treff­punkte der Ber­li­ner Bo­hème. Er be­geg­net dort Künst­lern, de­ren Werke er spä­ter il­lus­trie­ren wird, Werke, die den Geist der Zeit dar­stel­len und ihn mit prä­gen. Else Las­ker-Schü­ler, Erich Müh­sam, Em­my Hen­nings, Ja­kob van Hod­dis (mit dem er zeit­wei­se zu­sam­men wohnt) sind ihm freund­schaft­lich ver­bun­den, Georg Heym, Fer­di­nand Har­de­kopf, Ernst Hardt und viele an­de­re hel­fen im­mer wieder mal aus, wenn er mal wieder et­was klamm ist.

Er selbst schreibt Ge­dich­te, Pro­sa, Li­te­ra­tur­kri­ti­ken, Es­says, sei­ne Gra­fi­ken und Bil­der hän­gen in diversen Aus­stel­lun­gen, im­mer wie­der be­tä­tigt er sich als Il­lus­tra­tor und Porträtist. Aber die fi­nan­ziel­len Mit­tel sind knapp, zu­mal er die Freuden von Sis­ter Mor­phine entdeckt hat. Es entsteht das Bild des geis­ter­haft von Tisch zu Tisch hu­schen­den Höxters [1], der noch immer die Un­ter­hal­tun­gen mit seinen ori­gi­nel­len Be­mer­kun­gen be­rei­chern kann, vor allem aber auf die Zu­wen­dun­gen an­ge­wie­sen ist, die er dabei er­hält. Und die Szene ver­än­dert sich, 1929 er­scheint sein Ab­ge­sang auf die Ber­li­ner Bo­hème "So lebten wir". Dann wird es still um ihn, und seit 1933 ver­wehrt man ihm – als Ju­den – den Zu­tritt zum Ro­ma­ni­schen Café, einst der Sam­mel­punkt der künst­le­ri­schen Avant­gar­de. Höx­ter weiß, was die Stunde ge­schla­gen hat. Wie er sich durch­schlägt bis 1938, als am 9. November die Sy­na­go­gen bren­nen, weiß man nicht. 7 Ta­ge spä­ter wird er gefunden. Tot. Er hatte sich an bei­den Ar­men die Adern ge­öff­net.

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1. "»Ahasver des Ro­ma­ni­schen Cafés« wurde er ge­nannt, da er durch das Ca­fé wanderte wie von ei­nem Land zum anderen, als Schnor­rer und Pumpgenie, als Mor­phi­nist, Ho­mo­se­xu­el­ler, als Dan­dy und Dé­ca­dent." S. 66

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3. November 2022

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